IT-Branchenverband will mehr Selbstregulierung beim Jugendmedienschutz

Der Bitkom fordert in einer Stellungnahme zur laufenden Evaluation der jüngsten Novelle der Jugendschutzgesetze eine Neujustierung von Kompetenzen und weniger Hürden bei technischen Schutzprogrammen.

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Der Bitkom fordert in einer Stellungnahme zur laufenden Evaluation der jüngsten Novelle der Jugendschutzgesetze insbesondere eine Neujustierung von Kompetenzen der involvierten Institutionen sowie weniger Hürden bei nutzerautonomen Filtern und Altersverifikationssystemen. Gleichzeitig setzt sich der Branchenverband erneut für eine "Versachlichung der derzeitigen Diskussion um mobile Inhalte auf Grundlage realer Risiken jenseits der Medienberichterstattung über Einzelfälle" und eine "gesetzliche Flankierung der Förderung von Medienkompetenz durch die Wirtschaft" ein.

Die gegenwärtig gültigen Bestimmungen des Jugendmedienschutzrechts sind mit den Bestimmungen im Jugendschutzgesetz (JuSCHG) und im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) 2003 eingeführt worden. Das Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung analysiert den Gesetzesrahmen momentan. Forciert von der Debatte über ein Verbot von Killerspielen rechnet das Bundesfamilienministerium mit ersten Ergebnissen bereits im Juli.

Der Bitkom meint nun zu dieser Überprüfung, allgemein sei beim Jugendmedienschutz mit der Ausrichtung auf die viel gelobte und viel kritisierte Ko-Regulierung, in deren Rahmen staatlich anerkannte Wirtschaftseinrichtungen etwa die Altersfreigabe und Kennzeichnung von Medien übernehmen, "der richtige Grundansatz gewählt worden". Dieser müsse aber durch eine stärkere Betonung der Selbstregulierung "effektiver" gestaltet werden.

Positiv hebt die Industrievereinigung auch hervor, dass mit dem geltenden Jugendmedienschutz etwa mit den geschlossenen Benutzergruppen ein praktikables Instrument bereit stehe, "mit dem grundsätzlich auch die altersdifferenzierende Vermarktung von Inhalten möglich ist und gleichzeitig das für den deutschen Jugendmedienschutz traditionell hohe Schutzniveau gewährleistet wird." Die Anforderungen an Altersverifikationssysteme (AVS) zur Sicherung solcher nicht jugendfreier Medienbereiche, welche die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) als zentrale Koordinierungsinstanz von Bund und Ländern ausgearbeitet hat, seien aber "unpraktikabel und kontraproduktiv". Vor allem das Erfordernis einer "Face-to-Face"-Kontrolle etwa über das Post-Ident-Verfahren sei "nicht zeitgemäß, bilde ein Hindernis für die Nutzung von Jugendschutz-Lösungen und bringe erhebliche Wettbewerbsnachteile für die betroffenen Unternehmen mit sich." Der hohe bürokratische Aufwand und der nötige "Medienbruch" hätten dazu geführt, dass Nutzer schon aus Bequemlichkeit häufig auf ganz ungeschützte Inhalte vor allem aus dem Ausland ausweichen würden. Als "zu strikt" empfindet der Bitkom auch die Anforderung, eine Authentifizierung etwa durch eine PIN-Eingabe bei jedem Nutzungsvorgang durchzuführen.

Bei den als "Jugendschutzprogrammen" bezeichneten Filterlösungen beklagt der Bitkom die Notwendigkeit einer formellen Anerkennung durch die KJM, da auch hier die technischen Anforderungen überhöht sowie "im großen Maße intransparent" seien. Dies belege nicht zuletzt die jüngst veröffentlichte Einschätzung der Kontrollbehörde selbst, dass keines der gängigen Systeme den gesetzlichen Vorgaben genüge. Es gelte, hier zu praxistauglichen Maßstäben zu finden, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Es müsse zukünftig ausreichen, wenn solche Programme dem volljährigen Nutzer die Möglichkeit bieten, den Zugang Minderjähriger zu Telemedien mit "marktüblichen Mitteln" zu erschweren.

Generell sollte die Rolle der KJM der Lobby-Vereinigung zufolge überdacht werden. Es gelte der Gefahr vorzubeugen, die Einrichtung "als bürokratische Institution weiter aufzublähen". Anstatt sich auf detaillierte Auslegungsfragen der Gesetzgebung und darüber hinausgehende – eher politisch motivierte – Anforderungen zu verlieren, "sollte sich die KJM als zuständige Aufsichtsbehörde zukünftig auf gröbere Verwerfungen konzentrieren". Die Kompetenzen der Mainzer Institution jugendschutz.net bedürften zudem einer Präzisierung. Zur Verunsicherung der betroffenen Unternehmen habe vor allem geführt, dass diese sich neben der Überprüfung von Telemedien-Inhalten vermehrt unter dem vage umrissenen Auftrag "Unterstützung der obersten Landesjugendbehörden und der KJM" zunehmend der "Politikberatung" verschreibe. Dabei sei die organisatorisch-rechtliche Grundlage nicht hinreichend bestimmt.

Eine weitere Verschärfung der Gesetzeslage in Deutschland wäre im Hinblick auf die stark variierenden Schutzstandards in anderen Ländern angesichts der Internationalität des Internet kontraproduktiv und würde die bereits zu beobachtende Abwanderung von Anbietern ins Ausland weiter verstärken, warnt der Bitkom ferner. Deutschland gewährleiste bereits jetzt "ein im europäischen wie internationalen Vergleich nahezu beispiellos hohes Schutzniveau im Mediensektor". Der Grundsatz der Selbstklassifizierung von Inhalten innerhalb und außerhalb von Selbstkontrollorganen sei daher zu stärken. Selbstregulierungsinstitutionen wie etwa der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) müsse hierfür ein ausreichender Beurteilungsspielraum und das Erstüberprüfungsrecht belassen werden. (Stefan Krempl) / (jk)