Suchmaschinenbetreiber wollen keine "ungesetzlichen Richter" sein

Mehrere große Suchportale machen auf bestehende Rechtsunsicherheiten sowie Bedrohungen für die Meinungs- und Informationsfreiheit aufmerksam. Sie plädieren dringend für gesetzliche Haftungsfreistellungen.

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Mehrere große Suchportale machen auf bestehende Rechtsunsicherheiten sowie Bedrohungen für die Meinungs- und Informationsfreiheit aufmerksam. Sie plädieren dringend für gesetzliche Nachbesserungen. In einer heise online vorliegenden Stellungnahme zum geplanten Telemediengesetz (TMG) beklagen sie, dass es der Gesetzgeber hierzulande bisher "verabsäumt" habe, der besonderen Rolle der Suchmaschinenanbieter Rechnung zu tragen und sie in die bestehenden Haftungsfreistellungen für Provider mit einzuschließen. Suchmaschinenbetreiber böten aber ebenso wie Zugangs- oder Hostprovider keinen eigenen Content an, sondern machten Inhalte Dritter auf "Milliarden unterschiedlicher und sich permanent verändernder Webseiten" ausfindig, indexierten sie und verschafften dem Nutzer Zugang dazu.

"Suchmaschinen im eigentlichen Sinne sind keine redaktionell gestalteten Link-Kataloge", heißt es in dem Positionspapier, das AOL, Google, Lycos, MSN, T-Info, T-Online und Yahoo gemeinsam verfasst haben. Die unüberschaubare Anzahl an Informationen im Internet könne auch gar nicht auf der Basis persönlicher Prüfung und Zusammenstellung der Suchergebnisse strukturiert werden, wehren sich die Anbieter vor einer Haftung für die von ihnen gelisteten Online-Materialien. Nur technische und "voll automatisierte Suchverfahren" könnten zum Einsatz kommen, weshalb die Betreiber sich auch "zwangsläufig" als "rein technische Infrastrukturdienstleister" sehen.

Nicht zu vergessen sei ferner, dass Suchmaschinen einen "weitgehend ungehinderten Zugang zu Informationen" schaffen. Sie trügen so zur Meinungsbildung bei und seien ein "unverzichtbarer Bestandteil der Informationsgesellschaft, des freien Journalismus und nicht zuletzt der demokratischen Grundordnung geworden." Darüber hinaus hätten sie "erhebliche Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa" erlangt.

Generell beachteten die hierzulande operierenden Suchmaschinenanbieter zudem das deutsche Recht. Die Verfasser der Stellungnahme erinnern daran, dass sie darüber hinaus im Rahmen der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung abgegeben haben. Demnach filtern sie behördlich indizierte Webseiten aus den Trefferlisten heraus und zeigen diese nicht mehr an. Die derzeitige Rechtslage sei jedoch häufig unklar.

"Suchmaschinen werden in einem zunehmenden Maße mit der Entscheidung in Anspruch genommen, ob einzelner Inhalte im Internet auffindbar und zugänglich sein sollten oder nicht", monieren die Anbieter. Sie sähen sich dabei angesichts der sehr weitgehenden zivilrechtlichen (Störer-) Haftung dazu gezwungen, bereits von der Mitteilung einer rein behaupteten Rechtsverletzung einzelne Suchtreffer aus ihren Ergebnislisten zu löschen. Diese Situation machten sich "zahlreiche Akteure" durch bewusstes Abmahnen missliebiger Inhalte etwa von Konkurrenten zunutze. Die Praxis zeige, dass hinter den angeblichen Rechtsverstößen häufig seriöse und vollkommen legale Inhalte steckten.

Genauere Überprüfungen der behaupteten rechtlichen Bedenklichkeit könnten die Suchmaschinen-Anbieter aufgrund der Vielzahl und teilweisen Vagheit der eingehenden Hinweise nicht durchführen, heißt es weiter in dem Positionspapier. "Auf Verdacht" hin vorgenommene Maßnahmen von Suchmaschinen stellten auch einen "starken Eingriff" in die grundgesetzlich geschützten Informationsinteressen der Nutzer dar. Weiterhin würden die Suchmaschinen-Betreiber angesichts der bestehenden Haftungsrisiken faktisch in die Rolle eines "ungesetzlichen Richters" über die künftige Verweisung auf betroffene Angebote gedrängt. Es drohe sich so "eine den Suchmaschinen aufgezwungene Praxis der Unterdrückung von Inhalten" zu etablieren, welche die Informationsvielfalt einschränke, für die Medienkonsumenten nicht transparent sei und sich außerhalb der Kontrolle von Medienpolitik und Rechtssystem abspiele.

Die Suchportale machen sich daher für die Aufnahme einer Vorschrift gemäß dem Vorbild der Verantwortlichkeitsregelung in Paragraph 14 im österreichischen E-Commerce-Gesetz ( ECG) ins Telemediengesetz stark. Dort werden Suchmaschinenbetreiber Zugangsanbietern gleichgestellt und weitgehend von der Haftung freigestellt. Weiterhin drängen die Firmen auf eine Regelung zu Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen. Darin sollte ihrer Ansicht nach klargestellt werden, dass es auch für Suchmaschinen keine präventiven Überwachungspflichten gibt. Eine Unterlassungs- oder Beseitigungspflicht dürfe erst ab Kenntnis einer Rechtsverletzung im Rahmen einer Interessensabwägung kodifiziert werden. Zuvor hatte sich bereits der Branchenverband Bitkom generell gegen vorauseilende Kontrollauflagen im TMG ausgesprochen und auch die Belange der Suchmaschinenanbieter mit eingeschlossen.

Ihr Positionspapier und die Rolle von Suchmaschinen für die Internetöffentlichkeit allgemein wollen die Portalbetreiber am 21. September gemeinsam mit Wissenschaftlern und Bundespolitikern auf einer Tagung der FSM in Berlin diskutieren. Dabei soll auch die "restriktive Rechtsprechung in der Praxis von Suchmaschinenanbietern" zur Sprache kommen. Eine Woche später lädt der Gemeinnützige Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs (SuMa-eV) zu einem Forum über die zentrale Rolle der Netz-Navigatoren in "Technik, Wirtschaft und Medienkunst" ebenfalls nach Berlin. Dabei soll neben den Selbstkontrollbemühungen der Anbieter auch eine Plattform für "Open-Crawl-Suchmaschinen" vorgestellt werden. (Stefan Krempl) / (jk)