Ausscheidender NetApp-Chef: König ohne Schloss!

Noch schnell vor seinem offiziellen Ausscheiden gewährte die Wirtschaftswoche ihren Lesern einen Einblick in das Büro des langjährigen NetApp-Deutschland- und Europachefs Andreas König. Obwohl – "Büro" ist eigentlich zu viel gesagt.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Damian Sicking

So "residierte" NetApp-Chef Andreas König

(Bild: Wiwo)

Lieber Andreas König, scheidender Deutschland- und Europachef von NetApp,

was ich immer ziemlich interessant finde, ist der Blick, naja, nicht gerade durchs Schlüsselloch, aber doch in Zimmer und Räume, zu denen nicht jedermann Zugang hat. Chefbüros zum Beispiel. Die Einrichtung und die Gestaltung dieser Räume verrät oft Einiges über die Menschen, die hier viele Stunden ihres Lebens verbringen, schöne und nicht so schöne. Aus diesem Grunde lese ich auch die Rubrik "Chefbüro“ in der Zeitschrift Wirtschaftswoche (Wiwo) so gerne. In der Printausgabe lautet die Unterzeile "Menschen der Wirtschaft“, auf ihrer Internetseite verspricht die Wiwo dem Leser sogar einen "Blick auf die Schreibtische der Macht".

Das ist gar nicht mal geprahlt, denn hier konnte man schon in die Büros so illustrer Personen schauen wie zum Beispiel Evonik-Vormann Klaus Engel, Bundeskartellamtspräsident Klaus Mundt, Bayer-Chef Marijn Dekkers, Roland-Berger-Boss Martin Wittig, Signal-Iduna-Oberversicherer Reinhold Schulte, Solarworld-Sonnenkönig Frank Asbeck, EU-Kommissar Günther Oettinger, Infineon-Chef Peter Bauer, Familienministerin Christina Schröder, Vattenfall-Vorsteher Tuomo Hatakka, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner, um nur ein paar zu nennen. Auch aus der IT-Branche ist manchmal ein Vertreter dabei, zuletzt war dies die früherer Dell-Managerin und jetzige EMC-Geschäftsführerin Sabine Bendiek.

Und nun also auch Sie, lieber Herr König. Die Wiwo präsentierte Sie und Ihr Büro in der Ausgabe 23/12 vom 4. Juni (Bild vom Artikel anbei; ist inzwischen auch auf der Wiwo-Homepage). Auf den letzten Drücker also, wie man sagen könnte. Denn wie bereits seit längerem bekannt, scheiden Sie Ende dieses Monats nach 16-jähriger Betriebszugehörigkeit aus dem Unternehmen aus. Warum und weshalb? Weiß man nicht. Ist aber im Moment auch nicht so wichtig. Wichtig ist ja vielmehr, dass Ihr Nachfolger Manfred Reitner die tolle Arbeit fortsetzt, die Ihr Chef Rob Salmon Ihnen attestierte ("Ich bin stolz auf die Leistung und Führungsposition, die Andreas König in sechzehn Jahren für NetApp in EMEA erreicht hat.“)

Lieber Herr König, unabhängig von Ihrer Person ist es natürlich schon interessant, wie der Deutschland- und Europachef des weltweit immerhin 11.000 Menschen beschäftigenden und mehr als sechs Milliarden Dollar umsetzenden Unternehmens residiert. Und da muss man sagen: Selbst für amerikanische Verhältnisse mit ihrem Faible für Großraubüros ist das Ganze doch sehr, wie soll man sagen, bescheiden? "Büro“ ist nach allgemeinem Verständnis in diesem Fall nicht ganz der passende Ausdruck für das, was man da sieht. "Arbeitsplatz“ oder "Sitzgelegenheit mit Tisch“ trifft es besser. Von Repräsentativität oder gar Protz, wie bei manchen anderen Firmenchefs zu beobachten, keine Spur. Wenn mir jemand sagen würde "Und an diesem Schreibtisch sitzt unser Azubi“, würde ich es sofort glauben. Die Schlagzeile, die mir zu dem Bild von Ihnen in Ihrem "Büro“ spontan einfiel: König ohne Schloss! Ich hoffe, Sie verzeihen mir das Spiel mit Ihrem Namen.

"Ich bin in diesem Büro meist nur Gast“, werden Sie in dem Wiwo-Artikel zitiert. Ein schöner Satz, und ich wünschte, dass es allen Geschäftsführern und Vorständen so geht (natürlich nur denjenigen, die es auch verdient haben). Denn als Gast genießt man ja doch eine Menge Privilegien. So kann man zum Beispiel gehen, wenn man keine Lust mehr hat, und muss auch nicht das schmutzige Geschirr in die Küche bringen. Außerdem wird man von den "Gastgebern“ in der Regel mit der gebotenen Gastfreundschaft behandelt. Andererseits gehört man als Gast ja nie so richtig dazu und bleibt immer, ja eben, ein Gast.

Noch eine Bemerkung zu der Kargheit Ihres Arbeitsplatzes und den Verzicht auf jeden Pomp. Ich glaube ja, dass die Summe der Angeberei bei jedem Manager gleich ist. Wenn es nicht das Büro ist, dann eben das Auto, die Uhr, die Maßhemden, die Oper (Bayreuth), der Sport (einstelliges Golf-Handicap etc.), die Frau, die Freundin oder etwas anderes.

Lieber Herr König, noch ein Satz ist mir aufgefallen, den Sie in dem Wiwo-Artikel sagen. "Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei“, sagen Sie. Sind Sie da sicher? Und wenn ja, ist das gut? Gab es diese Zeit überhaupt einmal? Meine ganz einfache Meinung dazu habe ich an dieser Stelle schon einmal formuliert: Ohne starke Einzelkämpfer können Firmen kaum Erfolg haben. Denken Sie nur an den Vertrieb. Natürlich dürfen diese Menschen keine asozialen Wesen sein, das ist ja klar. Aber sie müssen zu starken, überdurchschnittlichen Einzelleistungen in der Lage sein, und zwar dann, wenn es darauf ankommt.

Das müssten Sie ja eigentlich am besten wissen. Denn auf Ihre Initiative hin wurde vor drei Jahren die Radsport-Mannschaft "Team NetApp" gegründet, welche sich ja gerade beim Giro d´Italia sehr positiv in Szene setzen konnte ("Team NetApp mit überragender Bilanz beim Giro d´Italia“; "Zwei Podiumsplatzierungen und insgesamt acht Top 10 Plätze gehen auf das Konto von Team NetApp.“). Herzlichen Glückwunsch dazu! Radsport ist ein gutes Beispiel, um das Verhältnis von Teamwork und Einzelleistung zu verdeutlichen. Radsport gilt ja als Mannschaftssport, jeder im Team hat eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen (vom Kapitän bis zum Wasserträger) und wurde aufgrund spezifischer Talente verpflichtet (Zeitfahrer, Kletterer, Sprinter etc.). Im Idealfall sind alle Teammitglieder herausragende Einzelkämpfer, die auf ihrem Spezialgebiet keine Konkurrenz zu fürchten brauchen. Und doch wird keiner von ihnen ganz alleine, ohne die Unterstützung durch seine Mannschaftskameraden, eine Rundfahrt wie den Giro oder auch nur einen der schweren Frühjahrsklassiker wie Paris-Roubaix gewinnen. Das ist ja klar. (Genauso wenig wie Sie, lieber Herr König, als einziger NetApp-Mitarbeiter die Konkurrenz in die Flucht schlagen könnten.) Aber in vielen Situationen sind die einzelnen Teammitglieder auf sich allein gestellt, und dann muss jeder zeigen, was er kann. Beim Einzelzeitfahren sowieso, aber auch bei einer schweren Alpenetappe mit mehreren tausend Höhenmetern muss der Kletterer auf Hilfe seiner Teammitglieder verzichten, und wenn der Sprinter "keine guten Beine hat", kann er von seinen Kollegen noch so gut nach vorne gefahren werden, er wird trotzdem nicht als erster über die Ziellinie fahren können.

Was ich sagen will: Gefragt sind – sowohl im Radsport wie auch in den Unternehmen – starke Leistungsträger, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen, aber auch auf sich allein gestellt absolute Spitzenleistungen erbringen. Was mir dagegen immer auf den Keks geht, ist diese Idealisierung des Teamgedankens. Ein Team ist immer nur so stark wie jedes einzelne Mitglied. Das ist natürlich keine neue Erkenntnis und eigentlich auch ziemlich banal, scheint mir aber doch immer wieder in Vergessenheit zu geraten.

Lieber Herr König, ich wünsche Ihnen, dass Sie wieder ein starkes Team finden (oder bereits gefunden haben), in dem Sie die außergewöhnlichen Einzelleistungen, zu denen Sie fähig sind, optimal einsetzen können.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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