22C3: Hacker überwachen Videoüberwachung

Österreichischen Bürgerrechtlern ist es gelungen, mittels einer günstigen Satelliten-TV-Ausrüstung die Signale einer Überwachungskamera der Wiener Polizei abzufangen.

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Österreichischen Bürgerrechtlern ist es gelungen, mittels einer billigen Satelliten-TV-Ausrüstung die Signale einer Überwachungskamera der Wiener Polizei mitzuschneiden. Wie zwei Vertreter des Datenschutzvereins Quintessenz auf dem 22. Chaos Communication Congress (22C3) in Berlin erklärten, schwenkten die Beamten bei einem der am Wiener Schwedenplatz aufgezeichneten Filme von einem Fenster der benachbarten Häuser zum nächsten und zoomten ganz dicht ran. Man hätte recht genau beobachten können, "was sich hinter den Gardinen abspielt", so Martin Slunksy, einer der beiden Aktivisten; ein Zusammenhang mit Strafverfolgung sei für sie nicht ersichtlich gewesen. Für die Mitglieder der Bürgerrechtsvereinigung, die den österreichischen Big Brother Award für die größten Datenschutzkraken vergibt, liefern die Aufzeichnungen einen weiteren Beweis für ihre These, dass Videoüberwachung die Falschen trifft und für die Strafverfolgung wenig bringt.

Die Polizei in Österreich erhielt im Frühjahr Befugnisse zum erweiterten Einsatz der Kameras. Unter anderem dem Schwedenplatz der Hauptstadt wurde daraufhin ein Technikauge auf einem Mast mit Funkantenne verpasst. Die Aktivisten vermuteten zuerst Digitaltechnik mit WLAN-Übertragung. Bei der Auswertung von Aufnahmen mit einer Handycam fanden sie aber heraus, dass allein analoge Technik zum Einsatz kam: Die Kameradaten wurden in einem Polizeibus mit mehreren Beamten Besatzung auf "alten Videorekordern" aufgezeichnet.

Die Datenschützer beschäftigten sich also mit analogen Funkübertragungen und stießen auf ein breites Spektrum von Wellenlängen vom Babyphone bis zur Ausrüstung für Amateurfunker. "Die Frequenz-Zuteilungen sind ein Fleckerlteppich", erkannte Slunksys Mitstreiter Adrian Dabrowski rasch. Klar wurde den selbsternannten Überwachern der Überwacher, dass um die Frequenz 2,3 GHz herum einige Kanäle für Strafverfolgungsbehörden reserviert seien. Gegen Verschlüsselungsversuche der analogen Signale setzten die Tüftler "Copy Enhancer" ein, führte Dabrowski aus, die es "bei eBay ganz billig gibt".

Die Ausrüstung der Polizei zum Empfang des Videosignals konnten die Bürgerrechtler zwar erahnen, doch waren ihnen die Empfänger für 900 Euro zu teuer. Sie fanden einen Videoscanner für 300 Euro, der Frequenzen bis zu 2,4 GHz abtastete. Dummerweise griffen sie aber nicht zur erforderlichen PAL-Version. Zudem "ist die Inbetriebnahme illegal", warnte Dabrowkski süffisant vor Nachahmungen. Als störend empfand er auch den hohen Batterieverbrauch im Testeinsatz.

Die Bastler kamen auf die Idee, gängige Satelliten-Empfangsgeräte für Astra analog einzusetzen. Diese wandeln eingehende Signale normalerweise in Zwischenfrequenzen zwischen 1 und 2 GHz um. Geräte, die für bis zu 2,7 GHz geeignet waren, fanden sich gebraucht von Herstellern wie Telestar oder Technisat für 15 Euro. Diese ließen sich sogar auf 12 Volt umbauen, um sie vom Auto aus mit Strom zu versorgen. Aufs Mikrowellenband ausgerichtete Antennen, die knapp neben der Wunschfrequenz liegen, besorgten sich die Hacker aus Polen. Stabantennen zum Aufstöbern der Signale ließen sich ebenfalls problemlos auftreiben. Zusätzlich ausgerüstet mit Bildschirm, Videorekorder und Notebook nebst WLAN-Versorgung für Suchmaschinenabfragen setzten sie sich in ein Auto und experimentierten einige Tage am Wiener Schwedenplatz. Schließlich strömten die Bilder.

Ihren Coup wollen die beiden Österreicher am heutigen Freitag Nachmittag noch einmal bei dem Hackertreff vorführen. Aufgrund ihrer Erfahrungen sind sie zum Schluss gekommen, "dass die Kamera komplett reflektionslos eingesetzt wird", empört sich Dabrowski. "Über Sinn und Zweck macht sich keiner Gedanken." Die Skeptiker haben sich daher auch Methoden zur Selbstverteidigung gegen die willkürliche Videoüberwachung überlegt. Sie reichen von Luftballons über Laser-Gewehre bis hin zu einer Art Tarnkappe. Die "Privacy-Mütze" soll die CCD-Chips in Kameras mit Infrarotlicht aus Dutzenden LEDs gleichsam blenden. (Stefan Krempl) (heb)