Licht ins Dunkel der Welt

Manche Bilder sind grausam, viele machen nachdenklich, aber alle erzählen sie vom Leben und Fühlen der Menschen: Ein Rundgang durch die berührenden Bilderwelten des 3. Lumix-Festivals in Hannover.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jobst-H. Kehrhahn
Inhaltsverzeichnis

Manche Bilder sind grausam, viele machen nachdenklich, aber alle erzählen sie vom Leben und Fühlen der Menschen: Ein Rundgang durch die berührenden Bilderwelten des 3. Lumix-Festivals in Hannover.

Fotografin Anastasia Taylor-Lind zeigt in "Siberian Supermodels"die harte Realität des Traumberufs.

(Bild: Anastasia Taylor-Lind)

Kinder auf einem Schrottplatz in Ghana, Mädchen in einer sibirischen Modelschule oder gealterte Kiezgrößen auf der Hamburger Reeperbahn: Das 3. Lumix Festival für jungen Fotojournalismus in Hannover präsentiert noch bis einschließlich Sonntag 60 Fotoreportagen aus aller Welt. Dabei steht Berührendes neben Aggressivem, Einfühlsames neben Kuriosem, Aktuelles neben scheinbar Unbedeutendem – aber alle Geschichten verbindet eines: Sie erzählen Bildergeschichten vom Leben und Fühlen der Menschen und „werfen Licht ins Dunkel der Welt“, so Festivalleiter Prof. Rolf Nobel.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes Video (Kaltura Inc.) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Kaltura Inc.) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Und genau das ist laut Edward Steichen – bekannter Fotograf und Kurator des New Yorker Museum of Modern Art – die herausragende Aufgabe der Fotografie. Sie erklärt „den Menschen den Menschen“. Diesen Anspruch hatte sich auch das Festival gestellt – und ist ihm gerecht geworden. Wer genügend Zeit mitbringt und sich auf die ausgestellten Bilder vor allem emotional einlässt, hat die Chance, berührende Bildergeschichten zu erleben.

Die fotografische Qualität der Festival-Reportagen ist dabei überragend: Getty Images Award, World Press Photo Award, New York Photo Award, National Press Photographer of the Year Award und, und, und… Die Liste der Preise, mit denen viele Lumix-Teilnehmer ausgezeichnet wurden, ist lang.

Auch zwei Autoren vom Unicef Foto des Jahres sind dabei – einer von ihnen ist Kai Löffelbein, der die Folgen des technologischen Fortschritts dokumentiert. Seine Ausstellung im Design Center zeigt, wie Kinder in Ghanas Hauptstadt Accra auf einem Schrottplatz namens „Sodom und Gomorrha“ ungeschützt zwischen giftigen Dämpfen importierten Elektroabfall sammeln und zerlegen, um kostbare Metallteile zu finden. Im Mai 2012 gewann seine „Kids of Sodom“-Reportage den Henri-Nannen-Preis.

Lumix Festival 2012: Auswahl der Ausstellungen (18 Bilder)

Kai Löffelbein "Kids of Sodom"

Dieses Bild aus Kai Löffelbeins Reportage "Kids of Sodom" wurde 2011 bereits zum UNICEF-Foto des Jahres gekürt. Es zeigt einen riesigen Elektroschrottplatz in Ghanas Hauptstadt Accra. Größtenteils sind es Kinder, die dort bis zu zwölf Stunden am Tag die Geräte ohne Schutzmaßnahmen verbrennen und sich gefährlichen toxischen Gasen aussetzen. (Bild: Kai Löffelbein)

Oder die Bilder des jungen Fotografen Rémi Ochlik: Er starb im Februar in Syrien im Granatenhagel, nur wenige Stunden zuvor hatte ihn ein Freund für das Lumix-Festival angemeldet. Seine Bilder, die ebenfalls im Design Center ausgestellt sind, handeln vom Kampf der Menschen um ihre Freiheit – manchmal sehr direkt, manchmal still, aber immer emotional.

"Occupy Wall Street"

(Bild: Andrew Burton )

So wie die Arbeiten von Christopher Capoziello: Seit zehn Jahren fotografiert er seinen Zwillingsbruder Nick, der an infantiler Zerebralparese leidet – eine Bewegungsstörung, deren Ursache in einer frühkindlichen Hirnschädigung liegt. Der Fotograf lässt den Betrachter auch seinen eigenen Kummer spüren – die Frage, warum Nick derjenige von Ihnen sein musste, der um jeden Augenblick kämpft, lässt ihn nie los. Seine Bilder belegen das. Sie sind schwarzweiß, still, liebevoll und äußerst anrührend.

Weniger still aber dennoch eindringlich sind auch die Werke von Andrew Burton. Sehr ausdrucksstark ist beispielsweise seine Aufnahme von verächtlich lächelnden Polizisten und Angestellten der Bank of America, die eine Occupy Wallstreet-Demonstration beobachten. Diese Aufnahme wirkt auch besonders gut im Katalog, denn sie ist stimmungsstark dem Foto eines innig protestierenden Demonstranten gegenüber gestellt.

Blick in das Design Center auf dem Expo-Gelände.

(Bild: Panasonic)

Verteilt sind die 1400 Fotografien auf insgesamt neun Gebäude – angefangen vom Design Center, über den Deutschen Pavillion bis hin zum 400 Meter langen Skywalk. Will man alle Ausstellungshallen begehen, sind allein die zurückzulegenden Strecken eine Herausforderung – von der Menge der zu verarbeitenden emotionalen Eindrücke ganz zu schweigen. Deshalb sollte man sich Zeit nehmen, damit die Bilder wirken können.

Das Fotofestival nutzt auch einige der seit 10 Jahren nicht genutzten Gebäude der Expo 2000 – die ungewöhnlichen Bauten verstärken noch den Eindruck, hier eine ganz besondere Ausstellung zu sehen. Insbesondere den dänischen und den tschechischen Pavillion sollte man sich genauer ansehen.

Noch ein Tipp: Unbedingt den Katalog mitnehmen. Er bringt auf rund 300 Seiten zu jeder Reportage manchmal vier, manchmal mehr Bilder, und dies – beonders wichtig – inklusive Hintergrundinformation, ohne die sich der Sinn mancher Bildergeschichte nicht erschließt. Der Preis: 20 Euro.

  • Das Lumix-Festival für jungen Fotojournalismus findet vom 13. – 17. Juni auf dem ehemaligen EXPO-Gelände in Hannover statt. Es ist täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis liegt bei 7 Euro für alle fünf Tage, ermäßigt kostet das Lumix-Ticket 5 Euro.

(keh)