Verfassungsbeschwerde gegen umstrittene Abhörbefugnisse des Zolls

Die Humanistische Union, ein Berliner Journalist und ein Rechtsanwalt haben in Karlsruhe Klage gegen das vom Bundestag verlängerte Zollfahndungsdienstgesetz erhoben.

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Die Humanistische Union, ein Journalist der Berliner Zeitung und ein Rechtsanwalt mit Verfahrensvollmacht vor dem Bundesverfassungsgericht haben in Karlsruhe Klage gegen das umstrittene Zollfahndungsdienstgesetz erhoben. Der Bundestag hatte die damit einhergehenden Befugnisse des Zollkriminalamts zur präventiven Überwachung von Post und Telekommunikation Mitte Dezember trotz heftiger Bedenken der Opposition und von Bürgerrechtsorganisationen mit den Stimmen der Großen Koalition um 18 Monate verlängert. Es konnte somit zum 31. 12. 2005 zunächst erneut in Kraft treten. Gleichzeitig mit der Erhebung der Verfassungsbeschwerde haben die Bürgerrechtler aber beantragt, das Gesetz bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nicht vollziehbar zu erklären.

Die Beschwerdeführer richten sich gegen die "bewusste Missachtung" eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, in dem dieses die alten Schnüffelbefugnisse für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärten. Die Karlsruher Richter hatten dem Gesetzgeber aufgetragen, die Regeln für den Zoll klarer und enger zu fassen. Dabei sollte vor allem der "Kernbereich privater Lebensgestaltung" besser geschützt werden. Eine von vornherein als Provisorium gedachte und trotzdem weiter aufrechterhaltene Gesetzesnovelle trug diesen Vorgaben gemäß der Beschwerdeführer "nicht einmal ansatzweise" Rechnung. Sie monieren unter anderem, dass bestimmte besonders schützenswerte Berufsgruppen wie Geistliche, Rechtsanwälte, Medienschaffende und Ärzte nicht von einer Überwachung durch Zollbeamte ausgenommen werden.

Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begründen sie damit, dass durch die Verabschiedung des angegriffenen Gesetzes eine Missachtung eines Verfassungsorgans durch ein anderes deutlich werde. "Es ist ein besonderer Vorgang, dass der Gesetzgeber ein Gesetz verabschiedet, das sich bewusst über Maßgaben aus Karlsruhe hinwegsetzt", konstatiert Fredrik Roggan, Verfahrensbevollmächtigter der Beschwerdeführer und stellvertretender Bundesvorsitzender der Humanistischen Union. "Damit fügt der Bundestag dem Ansehen des Verfassungsgerichts großen Schaden zu, denn er beschädigt das Vertrauen der Bürger in die Verbindlichkeit der Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts." Letztlich werde so die grundgesetzliche Ordnung in Frage gestellt.

Dem Zoll ist seit 1992 das Öffnen von Postsendungen und das Abhören von Telefongesprächen auf Anordnung erlaubt. Damit soll er Verstöße gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bereichen wie Staatsschutz, Betäubungsmittelkriminalität, Geldfälschung, Geldwäsche, Terrorismusbekämpfung oder den unerlaubten Außenhandel mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien besser verfolgen können. Mit der Gesetzesreform von 2004 sind beispielsweise die Datenerhebungs- und Übermittlungsverfahren enger gefasst werden. Früher konnte das Zollkriminalamt relativ frei personenbezogene Informationen an Polizei und Geheimdienste weitergeben. Inzwischen dürfen Erkenntnisse aus den Bereichen Staatsschutz, Betäubungsmittelkriminalität, Geldfälschung und Geldwäsche zwar an Strafverfolgungs- und Verfassungsschutzbehörden, aber nicht an den Bundesnachrichtendienst übermittelt werden. Der kann sich aber etwa bei der Gefahr terroristischer Anschläge beim Zollkriminalamt bedienen. Detaillierte Statistiken über die Inanspruchnahme der Befugnisse existieren offiziell nicht. (Stefan Krempl) / (jk)