Surface: Microsoft jagt das iPad

Steve Ballmer spielt auf Risiko. Mit einem Tablet-Computer unter der eigenen Marke stellt sich der Microsoft-Boss nicht nur mutig Apple in der Weg, sondern riskiert auch mächtig Ärger mit alten Buddys.

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Von
  • Christoph Dernbach

Windows Surface? Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor. Richtig: Da gab es doch diese riesige Aktion auf der CeBIT 2008. Microsoft-Chef Steve Ballmer sagte damals die fünfte, sechste Computerrevolution voraus. Und seine Mitarbeiter räumten den zweiten Stock des Messestandes für den Tischcomputer "Microsoft Surface" frei, weil das wuchtige 30-Zoll-Gerät in der unteren Etage wegen Störstrahlungen der benachbarten Stände einfach nicht zum Laufen gebracht werden konnte. Seitdem hat man nicht mehr viel von dem Tischcomputer gehört. Immerhin soll er in einigen Museen und Hotels im Einsatz sein. Er heißt jetzt nur nicht mehr "Microsoft Surface", sondern hört auf den bezaubernden Namen "SUR40". Und die Webadresse musste er auch räumen.

Warum die Marketing-Leute von Microsoft bei ihrem spektakulären Versuch, im Tablet-Markt einen Neuanfang zu wagen, ausgerechnet auf den Namen eines im Prinzip gescheiterten Produktes zurückgreifen, erschließt sich mir nicht auf Anhieb. Aber Namensfindung hin oder her: Die Ankündigung von Microsoft-Chef Steve Ballmer bedeutet eine Zäsur. Deutlicher als er hat sich bei Microsoft noch niemand von dem Mantra des Firmen-Gründers Bill Gates abgesetzt, wonach die Trennung von Hard- und Software das passende Konzept für den Markt der Personal Computer ist.

Windows-Chef Steven Sinofsky bei der Präsentation des Tablets "Surface"

Ich kann mich noch gut an das Zusammentreffen von Bill Gates und Steve Jobs auf der Technologiekonferenz AllThingsD im Jahr 2007 erinnern, bei dem der Microsoft-Mitbegründer noch einmal diesen Grundsatz betonte. Nur dadurch sei es möglich gewesen, den Personal Computer preiswert und breiten Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen. Jobs betonte damals die Vorteile, wenn die Entwicklung von Hard- und Software in einer Hand liegen.

Mit dem Markterfolg des iPad spürt Microsoft derzeit brutal, wie gut das Konzept von Steve Jobs funktioniert. Zwei Drittel des Tablet-Marktes sind in der Hand von Apple. Und die bislang erfolgreichsten iPad-Konkurrenten laufen nicht mit einem Windows-System, sondern mit Android. In einer Zeit, in der anscheinend alles zu Gold wird, was Apple anfasst, bedient sich Redmond ganz unverhohlen der Konzepte aus Cupertino.

Das war schon im Vorfeld des Events in Los Angeles erkennbar. Statt wie üblich – und langweilig – Partner und Medien offen zu einem Produktlaunch einzuladen, verschickte Microsoft E-Mails an Blogger und Journalisten, aus denen der eigentliche Zweck nur zu erahnen war. Geheimniskrämerei im Vorfeld einer Produktvorstellung gehört ja auch zu den Zutaten, mit denen Apple arbeitet.

Die Schockwellen, die von dem Microsoft-Event ausgehen, werden nach meiner Einschätzung in der Apple-Chefetage zunächst nur für ein leichtes Zittern sorgen. Schließlich ist Apple mit seiner iPad-Hardware und dem gewaltigen Ökosystem von über 200.000 für das Tablet optimierten Apps gut aufgestellt. Die Windows-RT-Variante des Surface bietet gerade mal 1366 × 768 Pixel und kann dem Retina-Display nicht das Wasser reichen. Und auch der auf den ersten Blick ganz innovative Ansatz von Microsoft, eine Schutzhülle als Tastatur zu verwenden, ist in Wirklichkeit nicht komplett neu (Test des Logitech Ultrathin Keyboard
in Mac & i Heft 6).

Die Tastatur in der Schutzhülle haftet magnetisch

Überrascht war ich, wie buggy die vorgeführte Software war. Windows-Chef Steven Sinofsky scheiterte beim Versuch, den Internet Explorer vorzuführen. Und als er zur Netflix-Anwendung wechseln wollte, fror das Tablet komplett ein, sodass er auf ein Ersatzgerät ausweichen musste (YouTube-Video ab Minute 13:30).

Natürlich wird Microsoft diese Bugs irgendwann in den Griff bekommen. Und es werden sich auch etliche Käufer für das neue Microsoft Surface finden. Dafür werden schon viele IT-Chefs in großen Firmen sorgen, die das iPad für ein unsicheres Spielzeug halten und mit Windows-Sicherheitsrichtlinien gerne in ihrem Laden durchregieren wollen. Doch ob ein Erfolg von Surface zu Lasten von Apple oder doch eher auf die Knochen von Microsoft-Partnern wie Asus, Acer, Lenovo, Sony oder Dell geht, bleibt abzuwarten. Ich kenne keinen erfolgreichen Versuch eines Unternehmens, Software-Lizenzen zu verkaufen und gleichzeitig den Lizenznehmern auf der Hardware-Seite Konkurrenz zu machen. Apple und Palm haben das mal gewagt und sind damit grandios gescheitert.

Da hilft auch nicht der Verweis von Steve Ballmer, dass sein Unternehmen schon seit über 30 Jahren im Hardware-Geschäft aktiv ist und beispielsweise erst die Microsoft-Maus dem jungen System Windows 1.0 auf die Sprünge geholfen habe. Der große Unterschied zur aktuellen Lage: Zur Einführung der Computermaus bei Microsoft in den 80er Jahren gab es keine Partner, die in diesem Geschäft aktiv waren.

Der Ärger der OEM-Partner könnte sich vielleicht legen, wenn sich Surface als eine Art Referenz-Design erweist, das dem Markt signalisiert, dass es durchaus möglich ist, einen erfolgreichen Tablet-Computer auf der Basis von Windows zu bauen. Man muss dazu nur wie Apple die Hard- und Software sorgfältig aufeinander abstimmen. Den Konkurrenten im eigenen Lager kann Microsoft ja dann entgegenkommen, in dem es die Surface-Tablets preislich im High-End-Segment ansiedelt, damit am Markt noch Luft für Windows-Tablets anderer Hersteller bleibt. Aber in diesem Szenario steckt ohnehin schon viel Spekulation.

Das hat auch damit zu tun, dass nach dem Surface-Launch in Los Angeles so viele Fragen offen geblieben sind. Wird das Surface UMTS oder LTE an Bord haben? Wie lange hält der Akku? Wann kommen die Modelle auf den Markt? Wie teuer werden sie sein? Arbeitet ein Surface-Tablet mit einem Windows Phone zusammen? Und die Frage, wie die Microsoft-OEM-Partner sich gerade fühlen, traue ich mich erst gar nicht zu stellen. (se)