Semapedia verlinkt die physische Welt mit Wikipedia

Ein 2D-Code auf Objekten, der über eine Handy-Kamera eingelesen werden kann, stellt eine Verbindung zu entsprechenden erklärenden Artikeln in der Online-Enzyklopädie her.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 110 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Das Projekt Semapedia hat es sich zum Ziel gesetzt, Objekte in der physischen Welt mit dazu passenden virtuellen Artikeln in der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia zu verknüpfen. "Wir wollen das in der Online-Enzyklopädie gesammelte Wissen an die Orte bringen, an denen es wirklich relevant ist", erklärte Alexis Rondeau die Motivation der Erfinder des "physischen Hyperlinking" gegenüber heise online. Der Wiener Student der Wirtschaftsinformatik hat das Konzept gemeinsam mit dem in New York lebenden Software-Architekten Stan Wiechers einsatzreif gemacht und vergangene Woche auf dem 22. Chaos Communication Congress (22C3) in Berlin vorgestellt. Die Idee reifte bei Rondeau im Sommer heran. Er wollte damals "nicht mehr still vorm Computer sitzen", sondern in der Welt seinen "Informationshunger" stillen und mit anderen Wissen "am richtigen Ort" teilen können.

Das Funktionsprinzip von Semapedia ist vergleichsweise einfach. Über die Eingabe einer Wikipedia-URL in ein Fenster auf der Homepage der Site oder ein Greasemonkey-Skript für Firefox lässt sich ein 2D-Barcode generieren, der an die Sicherheitsfunktion eines Online-Tickets der Deutschen Bahn erinnert. Die Codierung der Netzadresse erfolgt über den ISO/IEC16022-basierten Datamatrix-Standard. Die erzeugte Schwarzweiß-Grafik kann ausgedruckt, laminiert oder anderweitig auf einen harten Untergrund aufgeklebt und anschließend auf einen Gegenstand angebracht werden, den der zugehörige Wikipedia-Artikel beschreibt. Vorzugsweise sind das bislang touristisch interessante Gebäude oder Orte. Aber auch Konzern- oder Handelsniederlassungen etwa sind mit der Technik in der Lage, ihre Gebäude auf diesem Weg mit der kollektiv erstellten Wissenssammlung zu verbinden.

Das Schild mit dem Code können Touristen oder sonstige Interessierte im Folgeschritt über ein Mobiltelefon mit digitaler Kamera fotografieren und mit Hilfe eines vorinstallierten Semacode-Readers für Smartphones scannen. Die Applikation verwandelt die verklausulierte Netzadresse daraufhin wieder in eine Standard-URL und baut eine Internetverbindung etwa über GPRS auf. Im Smartphone-Browser wird dann der verlinkte Wikipedia-Beitrag aufgerufen.

Laut Rondeau prangen die Semacodes des seit vier Monaten funktionstüchtigen Projekts inzwischen auf rund 1000 Objekten, davon allein etwa 600 in New York. In den nächsten Monaten wollen die Vernetzungsexperten eine Zusammenarbeit mit Touristenbüros und den Bürgermeistern größerer Städte erreichen, um Semapedia-Schilder machen zu lassen und einfacher installiert zu bekommen. Gerade an öffentlichen Gebäuden würden sich die zuständigen Verwalter aber auch so bereits in der Regel rasch von der Zweckmäßigkeit der Tags überzeugen lassen, meint Rondeau.

Das Gemeinschaftsprojekt, dessen Gründer auf eine rege Beteiligung der Nutzer hoffen, ist nicht-kommerziell und wird momentan von der Universität Wien gefördert. Die Technik lässt sich laut Wiechers aber auch für gewerbliche Anwendungen nutzen. Er verweist dabei etwa auf Japan, wo die Software für einen vergleichbaren "Quick Response Code" bereits auf rund 30 Millionen Mobiltelefonen installiert sei und etwa zum Ticket-Kauf oder für Magazinwerbung eingesetzt werde. Auch die Wartezeit auf die nächste U-Bahn könne man sich dort über die Barcodes ausrechnen lassen. (Stefan Krempl) / (jk)