Greenpeace prangert Elektronikschrott-Export an

Die Umweltschutzorganisation hat mit Aktionen in der Schweiz und in China erneut auf die Risiken für Mensch und Natur hingewiesen, die von giftigem Elektronikschrott ausgehen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat mit Aktionen in der Schweiz und in China erneut auf die Risiken für Mensch und Natur hingewiesen, die von giftigem Elektronikschrott ausgehen. In Peking errichteten Aktivisten der chinesischen Greenpeace-Sektion zu Wochenbeginn vor der internationalen Industriemesse "High-Tech Expo" (CHITEC) eine meterhohe Skulptur aus ausgemusterten PCs, Monitoren und Mobiltelefonen, deren (Tsunami-)Wellenform die Gefahren einer zunehmenden Elektronikschrott-Flut symbolisieren soll.

Nach Angaben von Greenpeace China ist die Situation im bevölkerungsreichsten Land der Erde derzeit besonders prekär: So sei die Gemeinde Guiyu in der Provinz Guangdong, wo die Einzelteile für die Pekinger "E-Waste-Wave"-Skulptur gesammelt wurden, in den vergangenen Jahren zu einem der weltweit größten Computer-Schrottplätze verkommen. Von Hand versuchen dort schlecht bezahlte Arbeitskräfte unter teilweise primitivsten Bedingungen und unter Missachtung einfachster Arbeits- und Umweltschutzstandards mit Säurebädern Wertstoffe wie Kupfer, Gold und andere Edelmetalle aus den Platinen herauszulösen und auf den lokalen Sekundärrohstoffmärkten zu verkaufen. Dabei kommen sie in Kontakt mit gefährlichen Stoffen wie Cadmium, Blei, Barium, Quecksilber und Phosphor, die zudem Erdreich und Flüsse verseuchen.

Als exemplarischen "Bad Guy" einer Umwelt zerstörenden IT-Industrie hat Greenpeace Schweiz unterdessen den Computerhersteller Hewlett-Packard (HP) an den Pranger gestellt: Weil sich HP bislang nicht dazu verpflichtet habe, gesundheitsgefährdende Stoffe wie PVC oder bromhaltige feuerhemmende Stoffe aus der Produktion zu verbannen, kippten Schweizer Greenpeace-Aktivisten am Montag eine ganze LKW-Ladung Elektronikschrott vor der Genfer HP-Zentrale aus. 4000 Tonnen Elektroschrott würden weltweit pro Stunde entstehen, teilte Greenpeace mit, und Unternehmen wie Hewlett-Packard trügen mit ihren Produkten wesentlich dazu bei. Man fordere die Firmen deshalb auf, umweltschonende Produkte zu entwickeln und sich einer Rücknahmepflicht zu unterstellen.

Wirksame Barrieren gegen den Export von Elektronikschrott aus der Ersten in die Zweite oder Dritte Welt gibt es bislang nur wenige. Zwar hat auch die chinesische Regierung im April 2000 die Einfuhr von E-Müll verboten, doch in der Praxis gibt es genügend Lücken, das Verbot zu umgehen. Hauptgrund ist, dass die Rückgewinnung verwendbarer Geräte, Teile oder Materialien aus Elektronikschrott ärmeren Kommunen in Schwellenländern wie China, Indien oder Südafrika eine wichtige Einkommensquelle verschaffen kann. In einem Arbeitspapier der UN University, einer Art Denkfabrik der Vereinten Nationen, heißt es sogar, dass ein "starker internationaler Markt für gebrauchte IT-Güter" ein Weg sei, die "digitale Spaltung" zu überwinden. Und für die Industrieländer ist der Schrott-Export häufig deutlich billiger, als Altgeräte vor Ort zu entsorgen.

Bei dem Cocktail der chemischen Verbindungen in Chips, Bauelementen, Leiterplatten oder Displays handelt es sich in der Regel um Sondermüll, bei dem die 1992 in Kraft getretene Baseler Konvention den grenzüberschreitenden Handel der staatlichen Überwachung unterwirft. Er ist nur mit einer Import- und Exportlizenz der beteiligten Länder sowie einem Frachtbegleitschein für jeden einzelnen Transport legal. Die Vertragsstaaten müssen die Aus- und Einfuhren regelmäßig der in Basel ansässigen Geschäftsstelle des Übereinkommens melden, die unter dem Dach des UN-Umweltschutzprogramms United Nations Environment Programme (UNEP) eingerichtet wurde.

Das mit dem "Total Ban Amendment" 1995 angestrebte vollständige Verbot der Ausfuhr aus den Industrieländern in die anderen Baseler Vertragsstaaten trat allerdings nie in Kraft, weil immer mehr Entwicklungsländer mittlerweile die ausrangierte Elektronik als Wirtschaftsgut und den Import als Quelle für Sekundärrohstoffe zum Aufbau eigener Industrien betrachten. Immerhin haben sich inzwischen 162 Nationen zu den Basel-Zielen des "Environmentally Sound Management" -- eines soliden Umweltmanagements -- bekannt. Einziges Industrieland, das der Konvention bislang nicht beigetreten ist, sind die USA. Von dort gelangen zwischen 50 und 80 Prozent des im Land eingesammelten Elektro- und Elektronikschrotts nach Asien -- vorrangig nach China, wo das Hinterhof- und Open-Air-Recycling unter anderem deshalb weiter floriert.

Siehe dazu auch: (pmz)

  • Recycling global, Der internationale Elektronikschrott-Handel soll salonfähig werden, c't 25/04, S. 96