"Wettervorhersage" der Linux-Foundation: Wohin entwickelt sich Linux?

Ein Linux-Wettervorhersage im Wiki der Linux-Foundation versucht zu prognostizieren, welche Neuerungen Linux bald mitbringen wird.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Die Linux-Foundation hat auf ihrer Homepage eine "Linux-Wettervorhersage" (Linux Weather Forecast) veröffentlicht, mit der die Organisation versucht, einen Ausblick auf die weitere Entwicklung von Linux zu prognostizieren. Damit hat Linux nun zum ersten Mal etwas, das einer von einigen Anwendern und Institutionen geforderten Roadmap nahekommt.

Das geschützte Wiki-Dokument betreut als "Chef-Meteorologe" Jonathan Corbet, der die bekannten Linux-News-Seite LWN.net (Linux Weekly News) leitet. Dort schreibt er regelmäßig detaillierte Berichte rund um den Linux-Kernel oder andere Linux-Bereiche; parallel findet er noch Zeit zur Linux-Programmierung und entwickelte zuletzt den Video-4-Linux-Treiber für den OLPC-Laptop. Mit seinem Wissen und seiner Erfahrung dürfte er wohl eine gute Wahl als "Linux-Wetterfrosch" sein; er nutzt seine tiefen Kenntnisse auch gleich und liefert neben der Vorhersage die wichtigsten Informationen zu den anstehenden Erweiterungen mit.

Es wird sich jedoch zeigen müssen, ob die Prognosen zur Linux-Entwicklung die Qualität einer durchschnittliche Wettervorhersage übertreffen: Der Job ist alles andere als einfach, da es keine richtige Roadmap gibt, nach der sich die Linux-Programmierer richten. Vielmehr entwickeln viele Linux-Firmen und Hobby-Programmierer häufig einfach in den Bereichen, wo sie es als sinnvoll erachten.

Die Erweiterungen werden dann zur Integration in den offiziellen Kernel vorgeschlagen. Ob oder wann sie aufgenommen werden, hängt dabei vom Wohlwollen von Linus Torvalds und einigen weiteren zentralen Linux-Entwicklern ab. Dabei kam es in der Vergangenheit nicht selten vor, dass größere Erweiterungen, die sehr gute Aussichten auf eine baldige Integration in den Kernel hatten, es dann doch erst Monaten oder Jahren später schafften – oder manchmal auch nie. Auch in die andere Richtung kann man die Aufnahmefreude von Torvalds und seinen Mannen schwer abschätzen, denn es fanden gelegentlich schon größere neue Entwicklungen, die scheinbar aus dem Nichts erscheinen, schon nach nur einigen Wochen Entwicklungszeit den Weg in den offiziellen Kernel.

Die derzeitige Vorhersage listet unter anderem die wichtigsten Änderungen am aktuellen Entwicklerkernel, aus dem in etwa sechs Wochen Linux 2.6.23 hervorgehen dürfte – diese Vorhersagen dürften mit ziemlicher Sicherheit in Erfüllung gehen, da alle größeren neuen Features bereits im Entwicklerkernel enthalten sind und nur noch Fehler korrigiert werden. Für 2.6.24 erwarten Corbet und seine Mitstreiter etwa Verbesserungen für den mit 2.6.23 integrierten CFS-Scheduler, Dynamic Ticks für die x86-64-Architektur, das unter anderem für Debugging-Zwecke geeignete Utrace oder eine Container-Architektur. Den ersten drei der genannten Erweiterungen waren zuvor bereits gute Chancen auf die Integration in 2.6.23 eingeräumt worden, sodass auch hier die Rate der tatsächlich eintretenden Prognosen nicht allzu schlecht sein dürfte. Für 2.6.25 wagt der Linux-Wetterbericht bislang keine Vorhersage.

Dem Dateisystem Reiser4 räumt Corbet für die nächste Zeit kaum Chancen auf die Integration in den Kernel ein – es sei zwar noch im mm-Kernel von Andrew Morton, und einige Leute würden es weiterentwickeln, aber es fehle ein leitender Entwickler, der die Integration nachhaltig vorantreibt. Ganz am Ende des Linux-Wetterberichts geht die Seite auch noch auf Themen abseits der Kernels ein – mit jeweils einem Absatz zu den Desktop-Umgebungen GNOME und KDE ist dieser Abschnitt jedoch knapp und nimmt auf andere für Linux-Distributionen wichtige Infrastruktur wie etwa den X-Server derzeit keinen Bezug. (thl)