Datenschutz für Wahlcomputer

Die irische Beauftragte für Informationsfreiheit stützt das Prinzip 'Security by Obscurity' und verwehrt Bürgern die Einsicht in die technische Dokumentation unter Verweis auf den Hacking-Paragraphen des Wahlgesetzes.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Richard Sietmann
Das Informationsfreiheitsgesetz ist offenbar eine stumpfe Waffe, wenn Bürger versuchen, die beim Ersetzen von Papierstimmzetteln durch Wahlcomputer verloren gegangene Transparenz der Erfassung und Zählung von Wählerstimmen wenigstens dadurch wieder herzustellen, indem sie detaillierte Auskunft über die Funktions- und Sicherheitsarchitektur der Geräte verlangen. In Irland hat jetzt die Informationsfreiheitsbeauftragte die Position der Regierung in Dublin gestützt, derartige Informationen zurückzuhalten.
Die irische Regierung hatte im Jahre 2002 die landesweite Einführung von Wahlcomputern des niederländischen Herstellers Nedap zu den Europawahlen im Juni 2004 vorbereitet, die dann für rund 52 Millionen Euro auch angeschafft wurden, aufgrund von Bürgerprotesten jedoch noch nie zum Einsatz kamen. Seit Anfang 2003 beantragte ein Bürger in mehreren Eingaben Einsicht in die Prüf- und Genehmigungsunterlagen, die ihm vom für die Wahlorganisation zuständigen Ministerium für Umwelt, Denkmalsschutz und kommunale Angelegenheiten jedoch nur teilweise gewährt wurde. Detailliertere Informationen wie beispielsweise die technischen Anforderungen an die Zuverlässigkeit und die Hard- und Software-Spezifikation der Nedap-Geräte blieben von der Akteneinsicht ausgenommen. Im April 2003 wandte sich der Betroffene daraufhin an die Beauftragte für Informationsfreiheit. In der jetzt öffentlich gemachten Entscheidung von Mitte Februar stellt Information Officer Emily O'Reilly nach fast vierjähriger Prüfung des Falles nun fest, die Informationszurückhaltung des Ministeriums sei nicht zu beanstanden.
Ähnlich wie im deutschen Informationsfreiheitsgesetz kann in Irland ein Auskunftsbegehren abgelehnt werden, wenn es sich auf Geschäftsgeheimnisse und vertraulich überlassene Informationen erstreckt. So hatte das Ministerium die Ablehnung auch begründet. O'Reilly stützte ihre Entscheidung jedoch nicht auf diese beiden Ausnahmeklauseln, sondern bemühte eine andere Einschränkung, die das Gesetz vorsieht und die keine Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und möglicherweise berührten Geschäftsinteressen erfordert: Nach dem irischen Freedom of Information Act kann die Auskunftserteilung auch verweigert werden, wenn der Zugang zur begehrten Information das Begehen einer Straftat erleichtern könnte – und seit einer Wahlrechtsänderung im Jahre 2004 sind das Hacking und sogar schon das unautorisierte Öffnen von Wahlgeräten ein Straftatbestand.
Unter diesen Umständen habe sie die Frage, inwieweit der gewünschte Informationszugang die Rechte Dritter auf Wahrung der Vertraulichkeit und von Geschäftsgeheimnissen tangiert, nicht mehr prüfen müssen, meinte O'Reilly. Zugleich stellte sie jedoch in der Begründung klar, dass sie auch in diesem Fall zu der Feststellung gelangt wäre, "dass das öffentliche Interesse, insbesondere das am Schutz der Sicherheit des Systems selbst, keine Freigabe der Dokumente rechtfertigen würde". Auch der Umstand, dass ein Teil der gewünschten Informationen bereits auf anderen Wegen an die Öffentlichkeit gelangt und im Internet verfügbar sei – so unter anderem das Reverse Engineering beim Nedap-Hack in den Niederlanden – könne zu keiner anderen Bewertung führen. Schon "die Freigabe jedweder Information in den Unterlagen, welche die Vollständigkeit und/oder Genauigkeit der bereits veröffentlichten Informationen bestätigen könnte, würde eine Manipulation der Maschinen und der entsprechenden Software einfacher machen ... und auf diese Weise das Begehen einer Straftat erleichtern".
In Deutschland ist hinsichtlich der hierzulande eingesetzten Nedap-Wahlgeräte mit Unterstützung des Heise-Verlags in ähnlicher Weise eine Auskunftsklage nach dem Informationsfreiheitsgesetz beim Verwaltungsgericht Braunschweig anhängig (Az: 5 A 188/06). Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hatte die Einsicht in die technischen Prüfunterlagen, welche die Grundlage für die Bauartzulassung durch das Bundesinnenministerium bilden, unter Hinweis auf die Urheberrechte des Herstellers an den Dokumenten abgelehnt. Eine Entscheidung ist bisher nicht ergangen.
Zum Thema E-Voting und elektronische Wahlmaschinen siehe auch:
  • "Eine neue Situation", E-Voting in Deutschland nach dem Wahlmaschinen-Hack , Interview mit Professor Dieter Richter von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, c't 24/06, S. 72
  • Obskure Demokratie-Maschine, Sind Wahlcomputer manipulationssicher?, c't 20/06, S. 86
  • E-Voting: Ja, aber ..., Bedenken gegen die Wahlcomputer von Nedap, c't 16/06, Seite 54
  • Naive E-Wähler, Rechtliche und technische Probleme bei Wahlcomputern in Deutschland, c't 15/06, Seite 104
  • Der Stift-Kompromiss, Das Hamburger Landeswahlamt propagiert fürs Voting den digitalen Wahlstift, c't 6/06, S. 90
  • "Der schleichende Verfall der öffentlichen Kontrolle", Der 22C3 diskutiert über Wahlen per Internet und E-Voting, c't 2/06, S. 20
  • E -Voting vs. Verfassung, Rechtliche Bedenken bei elektronischen Wahlmaschinen in Deutschland, c't 1/06, S. 80
  • Elektronische Wahlen?, Einige verfassungsrechtliche Fragen, c't 23/05, S. 228
  • Dreimal drücken – fertig?, E-Voting-Großeinsatz bei der Bundestagswahl, c't 19/05, S. 54
  • Trial and Error, Streit um technische Richtlinien für US-Wahlcomputer, c't 17/05, S. 54
  • E-Voting – ein Spiel mit dem Feuer, Elektronische Wahlsysteme bei den US-Präsidentschaftswahlen 2004, c't 23/04, S. 100
  • Verführerischer Charme ..., ... aber die Einführung allgemeiner Online-Wahlen bleibt umstritten, c't 11/01, S. 22
  • Der virtuelle Wähler, Zweifel am Urnengang mittels Internet, c't 8/01, S. 70
  • (Richard Sietmann) /