Kanadisch-europäisches Handelsabkommen: ACTA reloaded?

Im Entwurf für das CETA genannte Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU finden sich offenbar Passagen, die den besonders umstrittenen Klauseln des vom EU-Parlament gekippten ACTA-Vertrags frappierend ähneln.

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Der Juraprofessor Michael Geist hat Auszüge aus einem geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada veröffentlicht. In dem neuen Entwurf (PDF-Datei) für ein Kapitel zum "Schutz geistigen Eigentums" finden sich einige besonders umstrittene Klauseln aus dem Anti-Piraterie-Abkommen ACTA wieder. Jenes hatte das EU-Parlament vorige Woche mit großer Mehrheit zurückgewiesen. Der kanadische Jurist sieht darin einen Versuch zur Wiederbelebung von ACTA durch die Hintertür.

Nach Angaben von Geist sind die Anleihen bei ACTA in dem neuen Entwurf seit Mai nicht mehr als umstritten markiert. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich das Scheitern von ACTA in Straßburg bereits ab. Geist führt aus, dass Passagen in dem Dokument, über die noch keine Einigkeit besteht, mit Klammern markiert werden. Diese Klammern seien bei den ACTA-Anleihen aber inzwischen entfernt worden. Ferner werde rund um das "Canada-EU Comprehensive Economic and Trade Agreement" (CETA) die gleiche Geheimniskrämerei geübt werde wie bei ACTA. So sei der gegenwärtige Stand des Vertragstexts noch nicht offiziell herausgegeben worden.

In einer Gegenüberstellung von Passagen aus ACTA und CETA zeigt sich, dass viele Stellen tatsächlich wie voneinander abgeschrieben wirken. So ist in beiden Abkommen davon die Rede, "Kooperationsbemühungen" zwischen Internetprovidern und Rechteinhabern zu fördern. Kritiker wittern dahinter die Absicht, ein System der "abgestuften Erwiderung" (Three Strikes) auf Urheberrechtsverletzungen einzuführen und – etwa beim Filesharing – zunächst mit Warnhinweisen und im Wiederholungsfall mit Internetsperren zu reagieren. Ferner ist ein Auskunftsanspruch vorgesehen, um Rechtsverletzer hinter einer IP-Adresse ermitteln zu können.

Strafsanktionen sind in beiden Fällen für Verstöße etwa gegen Patent- oder Urheberrechte sowie Verwendung von Markenzeichen "im gewerblichen Ausmaß" vorgesehen. Dies hatte in der ACTA-Debatte zu Befürchtungen geführt, dass Tauschbörsennutzer kriminalisiert werden. Hinzu treten identische Bestimmungen zum rechtlichen Schutz von Systemen zum Digital Rights Management (DRM), zu weit gefassten Schadensersatzansprüchen sowie zu Grenzkontrollmaßnahmen einschließlich Beschlagnahme gefälschter Güter. Darüber hinaus drängt Kanada darauf, das Abfilmen von Kinofilmen von der Leinwand unter Strafe zu stellen. Dieser Punkt war bei ACTA zuletzt außen vor geblieben.

Für bedenklich hält der Rechtswissenschaftler die CETA-Initiative auch deshalb, weil Brüssel und Ottawa die Ausführungen zum Schutz der Rechte an immateriellen Gütern in einem breit angelegten Wirtschaftsabkommen "vergraben" hätten. Damit könne mehr Druck auf das EU-Parlament ausgeübt werden, sich dem Abkommen nicht in den Weg zu stellen. Außerdem schätzt der Jurist, dass das Abschreiben bei ACTA unter Befürwortern einer strikten Rechtedurchsetzung bei bi- oder multilateralen Handelsvereinbarungen Schule machen wird. So sei dies der Fall bei der derzeit zwischen Pazifik-Anrainern beratenen "Trans-Pacific Partnership" (TPP).

Die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net appellierte angesichts des Auftauchens des "ACTA-Zombies" an den bei ACTA wie CETA federführenden EU-Handelskommissar Karel De Gucht, den "Willen der EU-Bürger" nicht länger zu ignorieren. Die europäischen Volksvertreter hätten ihre Linie klar zum Ausdruck gebracht. CETA müsse gestoppt werden – genauso wie andere Tricks, ACTA wiederauferstehen zu lassen. (ssu)