Geldsendeschluss

ARD und ZDF haben ihre Einspeiseverträge mit Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW zum 31. Dezember 2012 gekündigt. Können Kabelkunden danach keine öffentlich-rechtlichen Sender mehr empfangen?

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Von
  • Nico Jurran

ARD und ZDF haben ihre Einspeiseverträge mit Kabel Deutschland, Unitymedia und Kabel BW zum 31. Dezember 2012 gekündigt. Brisanz erhält dieser Schritt durch den 18. Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Darin ist nämlich zu lesen, dass sich die "GEZ-Gebühr" für die Gebührenperiode 2013 bis 2016 unter anderem deshalb nicht erhöhen soll, weil die Öffentlich-Rechtlichen keine Einspeiseentgelte mehr an die Kabelnetzbetreiber zahlen wollen. Die betroffenen Provider pochen jedoch weiter auf die jährlich rund 60 Millionen Euro.

c’t bat daher Vertreter beider Seiten um Stellungnahmen. Den Standpunkt der ARD vertrat die Leiterin Kommunikation und Marketing ARD Digital Brigitte Busch, den des ZDF dessen Sprecher Alexander Stock. Für Kabel Deutschland äußerte sich Unternehmenssprecher Marco Gassen. Nachfolgend die Langfassung der (separat geführten) Interviews.

c't: Herr Gassen, bei der Bedarfsanmeldung für ihre Etats in der neuen Gebührenperiode ab 2013 hatten ARD und ZDF nicht mehr die Kabeleinspeisungskosten angegeben. Überrascht kann Kabel Deutschland von der Kündigung also eigentlich nicht sein.

Gassen (KD): "Die Bedarfsanmeldungen sind ja eigentlich nicht öffentlich, sodass wir erst Anfang des Jahres dem KEF-Bericht offiziell entnehmen konnten, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ab 2013 tatsächlich keine Einspeiseentgelte mehr in ihren Budgets vorgesehen hatten. Die rechtliche Prüfung der Wirksamkeit der Kündigungen dauert im Übrigen noch an. Dass ein mehrjähriger Vertrag die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung vorsieht, ist an sich gängig, um anschließend einen neuen Vertrag zu verhandeln, der die gegebenenfalls geänderten Wünsche der Vertragspartner berücksichtigt. Zu Anfang solcher komplexen Verhandlungen liegen die Positionen immer weit auseinander. Da aber Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten besteht, hoffen wir auf eine Einigung vor Auslaufen der Verträge am Jahresende 2012."

c't: Wieviel geben ARD und ZDF bislang für die Einspeisung ihrer Programme in Netz von Kabel Deutschland aus?

Stock (ZDF): "Wir bitten um Verständnis, dass wir dazu keine Angaben machen."

Busch (ARD): "Der KEF-Bericht sieht für die Kabelverbreitung für das Jahr 2012 einen Gesamtaufwand von 45,3 Millionen Euro vor."

Gassen (KD): "Kabel Deutschland erhält jährlich 27 Millionen Euro an Einspeiseentgelten von den öffentlich-rechtlichen Sendern für die Verbreitung von insgesamt 23 TV- und 63 Radio-Sendern an unsere 8,5 Millionen Kunden. Im Übrigen entrichten wir, anders als Satellit und DVB-T, Urheberrechtsentgelte an ARD und ZDF. Effektiv fließen so allein von uns rund 7 Millionen Euro in Form von Urheberrechtsentgelten an die Öffentlich-Rechtlichen wieder zurück an ARD und ZDF."

c’t: Nach dem 18. KEF-Bericht wollen ARD und ZDF für die Programmverbreitung über Satellit und DVB-T weiterhin zahlen. Das erscheint erst einmal widersprüchlich.

Alexander Stock (ZDF): "Kosten für die Anmietung von Satelliten und Kosten für Einspeiseentgelte sind weder rechtlich noch tatsächlich vergleichbar. Rechtlich handelt es sich bei der Satellitenverbreitung von Rundfunkprogrammen um eine Erstverbreitung, die überhaupt erst die Voraussetzung schafft, dass Kabelanlagenbetreiber diese Programme in Form einer Weitersendung im Kabel verbreiten können. Durch diese Weiterverbreitung ist es Kabelanlagenbetreibern möglich, eigene Geschäftsmodelle aufzusetzen und gegenüber den Endkunden, zu denen sie einen eigenen Zugang haben, zu vermarkten. Demgegenüber verfügt der Satellitenbetreiber grundsätzlich über keine solche Endkundenbeziehung. Er ist darauf angewiesen, Entgelte von seinen Endkunden, den Programmveranstaltern, zu verlangen, um seine Infrastruktur zu refinanzieren und betriebsbereit zu halten."

Busch (ARD): "Die Kabelnetzbetreiber verbreiten die Programme grundsätzlich aus eigenem Interesse und in eigener Verantwortung. Es sind eigenständige Unternehmen, die damit Einnahmen und letztlich auch Gewinne erzielen wollen. Daher besteht kein Anlass, über die Bereitstellung der Programme hinaus, Entgelte an Kabelnetzbetreiber zu bezahlen. Satellitenbetreiber und Betreiber terrestrischer Sendeanlagen erhalten im Unterschied zu den Kabelnetzbetreibern keine Einnahmen von den Endkunden. Sie sind rein technische Dienstleister der Rundfunkanstalten und werden daher für ihre Dienstleistungen bezahlt. Die Geschäftsmodelle sind nicht miteinander vergleichbar."

c’t: Die Kabelnetzprovider finanzieren sich also neben den Entgelten, die ihre Kunden für die Nutzung des Anschlusses zahlen, unverändert durch Einspeiseentgelte der Sender.

Marco Gassen (KD): "Dieses zweiseitige Geschäftsmodell basiert vereinfacht gesagt auf Folgendem: Die Sender sind daran interessiert, dass ihre Programme zum Zuschauer gelangen, die Kunden daran, über ihren Kabelanschluss diese Programme zu erhalten. Durch eine interne Zuweisung der Übertragungskosten entweder zur Sender- oder zur Kundenseite stellen wir sicher, dass unsere Leistungen nicht ‚doppelt’ berechnet werden. Anders als beim sogenannten ‚amerikanischen Modell’ partizipieren wir im Bereich der frei empfang baren Programme, um die es bei ARD und ZDF geht, in keiner Weise an irgendwelchen Werbe- oder Vermarktungserlösen auf Seiten der Sender. Die zweiseitige Finanzierung ist keine singuläre Erscheinungsform des Kabels – denken Sie nur an Messebetreiber, die sich sowohl über die Standgebühren der Messebetreiber als auch die Eintrittsentgelte der Besucher finanzieren. Unser Modell ist auch seit vielen Jahren regulatorisch als unbedenklich bestätigt.

Die Position der Öffentlich-Rechtlichen, keine Einspeiseentgelte mehr zu zahlen, ist auch insofern schwer nachvollziehbar, weil das Kabel im Vergleich zu Satellit und DVB-T die reichweitenstärkste und dabei günstigste TV-Infrastruktur für die öffentlich-rechtlichen Sender ist. Legt man die Zahlen des KEF-Berichts und die Kundenreichweiten nach dem Digitalisierungsbericht 2011 der Landesmedienanstalten zugrunde, zahlen ARD und ZDF im Kabel pro Jahr lediglich rund 2 Euro pro TV-Zuschauer für die Einspeisung ihrer Programme. Die Sender erreichen damit die Hälfte aller deutschen TV-Haushalte. Die Verbreitung über den Satelliten kostet die Öffentlich-Rechtlichen mit rund 4 Euro pro Haushalt knapp das Doppelte. DVB-T ist mit mehr als 37 Euro – und das ist noch sehr konservativ gerechnet und beinhaltet nicht alle Sendekosten – mit weitem Abstand die teuerste Form der Programmverbreitung und erreicht gerade mal vier Prozent der deutschen Fernsehhaus - halte."

c't: MDR-Intendatin Karola Wille hat erklärt, dass eine Alimentierung der Kabelfirmen aus Gebührentöpfen nicht mehr zeitgemäß sei. Inzwischen hätten auch kleinere Netzbetreiber und die Wohnungswirtschaft eigene Empfangstechnik aufgebaut, das Internet habe weitere Technologie hervorgebracht. Das klingt doch nachvollziehbar.

Gassen (KD): "Von Alimentierung kann keine Rede sein. Das zweiseitige Modell behält im Übertragungsmarkt seine volle Berechtigung. Für uns leisten die Einspeiseentgelte einen wichtigen finanziellen Beitrag zum weiteren Ausbau und zur Modernisierung unserer Infrastruktur. Wir investieren aus eigener Kraft jedes Jahr erhebliche Summen in unsere Infrastruktur, seit 2005 immerhin mehr als 2 Milliarden Euro. Das Ergebnis ist ein erheblich verbessertes TV-Angebot und ein bedeutender Ausbau unseres Netzes für Internet- und Telefonnutzung. Und gerade der Breitbandausbau ist, das müssen wir nicht betonen, politisch und gesellschaftlich gewollt.

c’t: Zu lesen ist nun oft von der sogenannten "Must Carry"-Regelung, wonach analog die wesentlichen Angebote von ARD und ZDF über Kabel verbreitet werden müssen und digital praktisch alle. Schließt die "Must Carry"-Regelung die HD-Verbreitung der betreffenden Kanäle auf digitalem Wege ein?

Busch (ARD): "Eine Differenzierung nach Standardfernsehen (SDTV) und hochauflösendem Fernsehen (HDTV) trifft das Gesetz nicht (§ 52b Rundfunkstaatsvertrag). Folglich ist dem Gesetz derzeit auch keine Verpflichtung zu entnehmen, die digitalen Programme sowohl in SD als auch in HD einzuspeisen."

Stock (ZDF): "Der Bürger hat Anspruch auf alle gesetzlich bestimmten Programmangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Must-Carry-Programme). Diese gesetzliche Bestimmung enthält keine Parameter für die technische Qualität der Verbreitung. Vereinzelt wird in der Literatur allerdings bereits die Auffassung vertreten, dass Must-Carry-Angebote – soweit technisch verfügbar – auch in HD angeboten werden müssen. Rechtsprechung existiert zu dieser Frage derzeit keine."

Gassen (KD): "Im digitalen Bereich ist nach derzeitiger Rechtslage nur eine Verbreitungsart verpflichtend einzuspeisen. Stand heute gehen wir davon aus, dass die SD-Programme der Öffentlich-Rechtlichen Must Carry sind. Für die HD-Programme gilt das derzeit nicht."

c't:Laut Thomas Fuchs, dem Vorsitzenden der Kommission für Zulassung und Aufsicht, ergibt sich daraus aber kein Anspruch auf kostenlose Verbreitung. Demnach müssten ARD und ZDF ein gewisses Entgelt für die Einspeisung weiterhin zahlen. Stimmen Sie dem zu?

Brigitte Busch (ARD): "Nein."

Stock (ZDF): "Nein. Auch für andere vergleichbare Verbreitungsformen wie IPTV zahlt das ZDF kein Entgelt."

Gassen (KD): "Wir glauben, dass es schlichtweg nicht sein kann, dass uns das Medienrecht auf eine unentgeltliche Verbreitung festlegt – wir also gezwungen wären, unsere Leistung einfach zu verschenken. Nach unserer Ansicht könnten sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr auf den Must-Carry-Status berufen, wenn sie keine Einspeiseentgelte mehr zahlen. Im Gegenteil sagen wir, dass Must Carry vor dem Hintergrund des Versorgungsauftrags ARD und ZDF zum Vertragsschluss verpflichtet, in dessen Rahmen wir uns auf eine entsprechende Zahlung einigen. Auf den Punkt gebracht könnte man sagen: ‚Must Carry heißt Must Pay’!"

c't: MDR-Intendantin Prof. Dr. Karola Wille erklärte gegenüber der dpa, "dass man zu Gesprächen mit den Kabelfirmen bereit sei, um sich für die Interessen der Zuschauer einzusetzen". Was ist darunter zu verstehen?

Busch (ARD): "Die ARD-Anstalten begrüßen es, wenn möglichst alle ihre Programme verbreitet werden und wird sich auch in Gesprächen mit den betroffenen Kabelnetzbetreibern im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Programminteressen ihrer Zuschauerinnen und Zuschauer einsetzen. Ein Kompromiss über die Zahlung von Einspeiseentgelten ist aber nicht vorstellbar. Die ARD will den Kabelkonzernen keine Einspeiseentgelte mehr für die Verbreitung ihrer Programme zahlen."

c’t: Aber muss ich als Kunde bei derart konträren Positionen nicht doch befürchten, nach dem 31. Dezember nicht mehr alle öffentlich-rechtlichen Kanäle zu sehen?

Busch (ARD): "Bedenken, dass die öffentlich-rechtlichen Programme künftig nicht mehr in den Kabelnetzen verbreitet werden könnten, sind unbegründet. Ein solches Verhalten wäre für die Kabelnetzbetreiber auch nicht sinnvoll. Das zeigen insbesondere die kleineren Kabelnetzbetreiber, die die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme schon immer verbreiten, ohne Einspeiseverträge abgeschlossen zu haben."

Stock (ZDF): "Das ZDF investiert in attraktive Programminhalte und schafft damit erst die Voraussetzungen für das Geschäftsmodell der Kabelunternehmen, die auch ohne Zahlung von Einspeiseentgelten ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Verbreitung unserer Programme haben."

Gassen (KD): "Wir möchten keine Drohszenarien aufbauen. Die Einspeiseverträge mit ARD und ZDF laufen mindestens noch bis Ende 2012. Es ist unser erklärtes Ziel, uns mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auf eine Fortsetzung der langjährigen und guten Geschäftsbeziehung zu verständigen und alle öffentlich-rechtlichen Sender auch nach 2012 im Netz von Kabel Deutschland zu übertragen. Vor allem möchten wir die derzeitigen Diskussionen nicht auf dem Rücken unserer Kunden austragen. Das ist uns wichtig zu betonen!" (nij)