Urteil: Drohung mit Onlineveröffentlichung ist nicht strafbar

Im Streit um ausstehende Geldzahlungen darf ein Rechtsanwalt der Gegenpartei damit drohen, dass er den "Lebenssachverhalt" ins Web stellen wird, wenn keine Zahlung erfolgt. Dies stelle keine Nötigung dar, meint das Kammergericht Berlin.

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  • Dr. Noogie C. Kaufmann

Im Streit um ausstehende Geldzahlungen darf ein Rechtsanwalt der Gegenpartei damit drohen, dass er den "Lebenssachverhalt" ins Web stellen wird, wenn keine Zahlung erfolgt. Dies hat das Kammergericht (KG) Berlin in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden (Az. (4) 121 Ss 30/12). Nach Auffassung der Hauptstadtrichter liege in der Umschreibung "Lebenssachverhalt" keine strafbare versuchte Nötigung im Sinne des Strafgesetzbuches. Vom Landgericht war der Advokat noch zu einer Geldstrafe von 4.500 Euro verdonnert worden.

Auslöser des Strafverfahrens war ein zivilrechtlicher Zwist, indem sich eine Hausverwaltung mit einem Unternehmen im Wege des Vergleichs auf die Zahlung von 16.920 Euro netto geeinigt hatte. Als zwei Tage nach Zahlungstermin das Geld immer noch nicht überwiesen war, wandte sich der Rechtsanwalt der Hausverwaltung erneut an den Schuldner. In dem für juristische Verhältnisse gepfefferten Schreiben forderte der Anwalt die Gegenseite nochmals zur Überweisung auf. Um dem Nachdruck zu verleihen, stellte er neben einer Urkundenklage und einer Anzeige wegen Betruges auch noch in Aussicht, dass der "Lebenssachverhalt unter den Keywörtern 'Z' [gemeint ist das geldschuldende Unternehmen, Anm. der Redaktion] ins Internet gestellt" werde.

In der Drohung mit Webveröffentlichung erblickte das Landgericht (LG) eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung nach Paragraf 240 Strafgesetzbuch (StGB). Danach kann mit Gefängnis bis drei Jahren oder mit einer Geldstrafe belegt werden, wer einem anderen durch "Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung (…) nötigt". Die Aussage des Anwalts interpretierte das LG dahin gehend, dass er damit bewusst gedroht habe, "im Internet insbesondere zu verbreiten, dass die Z [gemeint ist das geldschuldende Unternehmen, Anm. der Redaktion] zahlungsunwillig oder gar zahlungsunfähig sei". Darüber hinaus sei dem Anwalt auch klar gewesen, dass die Verbreitung derartiger "Gerüchte" für das Unternehmen "enorme negative wirtschaftliche Konsequenzen haben könne". Mit seiner Drohung habe der Anwalt gerade darauf gehofft, "mit eben dieser Drohung das Unternehmen zu einer möglichst schnellen Zahlung veranlassen zu können".

Der Lesart des Landgerichts mochte das Kammergericht als Revisionsinstanz hingegen nicht folgen und sprach den Advokaten frei. Nach Meinung des KG habe es sich bei der Ankündigung des "Lebenssachverhaltes" im Internet nur um "eine allgemein gehaltene unspezifische Ankündigung von Schwierigkeiten" gehandelt, die aber keine Nötigung im Sinne des Strafrechts darstellten. (jk)