Handy-Chaos im Kosovo
Die Attacken der serbischen Regierung auf den Mobilfunk-Netzbetreiber Mobtel sowie dessen Manager und Teilhaber haben sich weiter verstärkt.
Die Attacken der serbischen Regierung auf den Mobilfunk-Netzbetreiber Mobtel und dessen (ehemalige) Manager und Teilhaber haben sich weiter verstärkt. Am 29. Dezember hatte die Regierung der Mobtel die Mobilfunk-Lizenz entzogen. Danach wurde Mobtel unter die Verwaltung des staatlichen Konkurrenten Telekom Srbija gestellt, der sofort damit begonnen haben soll, Kundendaten und andere wichtige Akten zu kopieren. Gerichtliche Klagen, Hausdurchsuchungen, Haftbefehle, ein staatlicher Griff in die Kasse der Mobtel, Beschimpfungen durch Regierungsmitglieder, Gegenklagen der österreichischen Mobtel-Teilhaber auf Schadenersatz, diplomatische Protestnoten der österreichischen Regierung, die zwangsweise Abschaltung des Netzes im Kosovo, der Vorwurf der Terrorismusfinanzierung, Millionenforderungen von allen Seiten sowie diverse Anschuldigungen und Behauptungen machen das Tohuwabohu perfekt.
Ziel der Angriffe ist nicht zuletzt der serbische Oppositionspolitiker Bogoljub Karic, dessen Partei PSS laut Meinungsumfragen stärker ist, als alle Parteien der Minderheitsregierung zusammen. In den 1990er-Jahren war der heute 52jährige ein Freund des damaligen Präsidenten Slobodan Miloševic und kam in kürzester Zeit zu großem Reichtum, einer TV- sowie einer Mobilfunk-Lizenz. Seine in Moskau registrierte Firma BK Trade gründete mit der staatlichen serbischen Post PTT ein Joint Venture: die Mobtel. Später wechselte Karic die Seite und erhielt 2004 als Präsidentschaftskandidat immerhin fast jede fünfte Stimme. Die Regierung wirft Karic, der sich zurzeit im Ausland aufhält, vor, Abgeordnete der Regierungsparteien mit Geld für einen Seitenwechsel gewinnen zu wollen. Außerdem soll er als Eigentümer der BK Trade den Staat um 700 Millionen Euro geschädigt haben. Anzeige "gegen Unbekannt" wurde erstattet.
1997 begann die PTT-Tochter Telekom Srbija ebenfalls ein GSM-Netz zu errichten. Der Staat ist also an beiden Mobilfunknetzen maßgeblich beteiligt. In der Folge forderte die PTT von der Mobtel die Ausschüttung von Dividenden. Als diese nicht gewährt wurden, rechnete die PTT die ihr nach eigenem Dafürhalten zustehenden Dividenden ihrem Eigentumsanteil an; seither vertritt sie den Standpunkt, dass ihr statt den vertraglich festgeschrieben 49 Prozent mindestens 58 Prozent der Mobtel gehören. Der Streit um die Eigentumsrechte wurde entsprechend dem Gründungsvertrag vor ein unabhängiges Schiedsgericht in der Schweiz getragen, welches im Frühjahr entscheiden soll.
Unterdessen verkaufte Karic im Mai 2005 seine BK Trade samt Mobtel-Anteil für 250 Millionen Euro an ein Konsortium um die österreichischen Investoren Martin Schlaff und Herbert Cordt, die nach Abschluss des Schiedsgerichtsverfahrens die übrigen Anteile vom Staat Serbien kaufen und schließlich die gesamte Mobtel an die Mobilkom Austria weiterverkaufen wollten. Doch die serbische Regierung möchte die Entscheidung des unabhängigen Schiedsgerichts offenbar nicht abwarten. Sie verfügte am 29. Dezember den Lizenzentzug. Als Begründung wurde ein einige Monate währender Vertrag zwischen Mobtel und der kosovarischen Firma Mobikos aus dem Jahr 2003 bemüht. Eigentümer Mobikos' sei der albanische "Extremist" Ekrem Luka, der "albanische Terroristen" und die "Unabhängigkeit des Kosovo" finanziert habe. Dadurch sei die Sicherheit des Staates bedroht worden, meint der serbische Innenminister Dragan Jocic.
In dem Vertrag sei Mobikos beauftragt worden, in Kosovo und Metochien die serbische Mobtel-Lizenz zu nutzen und gegen Gewinnbeteiligung ein Mobilfunknetz zu betreiben. Kosovo und Metochien stehen seit 1999 unter UNO-Verwaltung, Serbien hat die Herrschaftsansprüche aber nicht aufgegeben. Der damalige britische Mobtel-CEO Patrick Harpur habe Ende 2003 verabsäumt, die behördlichen Genehmigungen für die teilweise Lizenz-Weitergabe einzuholen, weshalb die gesamte Lizenz einzuziehen sei, so die Regierung. Harpur habe außerdem die von Mobikos zu leistenden Zahlungen nicht eintreiben lassen, was den Mobtel-Teilhaber PTT geschädigt habe. Aufgrund dieses "Betrugs" wird Harpur nun per Haftbefehl gesucht. Außerdem will die PTT den Ex-Manager persönlich auf Schadenersatz klagen. Harpur bestreitet jedoch die Vorwürfe: Es habe lediglich eine kurzzeitige technische Kooperation mit Mobikos gegeben.
Die serbische Regierung lässt sich unterdessen täglich eine Million Dinar (gut 14.200 Euro) aus Mobtel-Kassen überweisen. Dies soll so lange weitergehen, bis die beanspruchten 52 Millionen Euro (Dividenden plus Zinsen) beglichen sind. Gleichzeitig klagte die staatliche PTT die nun von ihr verwaltete Mobtel vor einem Belgrader Gericht auf Zahlung eben jener 52 Millionen. Um weitere Tatsachen zu schaffen, möchte die Regierung die Mobtel-Lizenz noch im ersten Halbjahr neu vergeben. Sollten die "Dividenden" rechtzeitig bezahlt werden, darf sich auch die Mobtel um die Lizenz bewerben.
Ebenfalls diese Woche hat der kosovarische Telecom-Regulator Anton Berisha plötzlich erkannt, dass Mobtel für den Betrieb ihres Mobilfunknetzes in dem Gebiet gar keine Lizenz besitze und keine Steuern bezahle, was einen Verlust von 100 Millionen Euro jährlich bedeute. Umgehend wurden die Mobtel-Sender in der Kosovo-Hauptstadt Priština zwangsweise abgeschaltet. Unklar ist, ob die UNMIK (United Nations Mission in Kosovo) diesen Schritt unterstützt. Die UNO-Verwaltung und der Regulierer streiten seit langem über eine möglicherweise inkorrekt erfolgte Vergabe einer Mobilfunklizenz an die Mobikos und deren slowenischen Partner Mobitel.
Der österreichische Vizekanzler Hubert Gorbach hat unterdessen eine Protestnote nach Belgrad geschickt. Er sieht in dem Lizenzentzug eine Enteignung und verlangt Sicherheiten für österreichische Investoren. Das Schlaff-Konsortium hat angekündigt, die serbische Regierung auf Schadenersatz zu verklagen. Wie auch immer dieses Verfahren ausgeht: Serbiens Ruf als Wirtschaftsstandort ist nachhaltig beschädigt. (Daniel AJ Sokolov) / (roe)