Bundesrat besteht auf Ausweitung des Großen Lauschangriffs

Die Länderkammer hat den Vermittlungsausschuss bei der akustischen Wohnraumüberwachung angerufen, weil ihr der rot-grüne Entwurf zu restriktiv ist.

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Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am heutigen Freitag eine Reihe von Korrekturen am Gesetzesentwurf zur akustischen Wohnraumüberwachung gefordert, den der Bundestag vor zwei Wochen mit rot-grüner Mehrheit verabschiedet hatte. Die Länderkammer und Vertreter des Parlamentes müssen nun im Vermittlungsausschuss am 15. Juni über das Schicksal des Großen Lauschangriff entscheiden. Die Zeit drängt, weil das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr die Wohnraumbespitzelung in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist bis Anfang Juli 2005 für eine Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen des umstrittenen Ermittlungsinstruments gelassen hatte. Es wird erwartet, dass sich beide Streitparteien daher relativ rasch auf einen Kompromiss einigen. Andernfalls wäre der Große Lauschangriff zunächst nicht weiter anwendbar.

Die Länderkammer will vor allem durchsetzen, dass der Straftatenkatalog für den Einsatz der Wanzen noch ausgeweitet wird. Der Bundestag hatte bereits beschlossen, dass der Große Lauschangriff künftig auch bei Verdacht auf die banden- oder gewerbsmäßige Verbreitung von Kinderpornografie angewendet werden. Der Bundesrat drängt nun darauf, dass auch bei "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" in den Wohnraum eingedrungen werden darf. Zur Begründung führen die Länder an, dass "auch bei schwerwiegenden Sexualdelikten ein Bedürfnis" bestehe, "Straftaten beziehungsweise kriminelle Strukturen durch Maßnahmen der akustischen Wohnraumüberwachung aufzudecken und so zum wirksamen Opferschutz beizutragen". Gelauscht werden können soll ferner auch bei der "gewerbs- oder bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten, Schecks und Wechseln" sowie bei der "Bildung einer kriminellen Vereinigung".

Außerdem macht sich der Bundesrat dafür stark, dass eine Überprüfung einer Maßnahme im Rahmen des umkämpften Gesetzes nach sechs Wochen nicht von einem Oberlandesgericht stattfinden muss. Zwei Empfehlungen des federführenden Rechtsausschusses fanden im Plenum keine Mehrheit. So hatten die Fachpolitiker auch noch vorgeschlagen, dass schon allein bei Erkenntnissen für eine Vorbereitung einer der im Straftatenkatalog des Gesetzes aufgeführten Verbrechens der Lauschangriff gestartet werden dürfe. Zudem wollten sie die tief in die Bürgerrechte eingreifende Maßnahme bereits "für präventive Zwecke" gestatten. Schon im Rechtsausschuss scheiterte zudem am Widerstand der FDP-mitregierten Länder eine Forderung der CDU/CSU nach der Einführung eines so genannten Richterbandes. Nur Bayern hatte sich am Ende noch dafür eingesetzt, eine solche automatische Aufzeichnung von Gesprächen generell zu erlauben und es dem anordnenden Gericht zu überlassen, über die Verwertbarkeit der Aufnahmen zu entscheiden.

Um den "Kernbereich privater Lebensgestaltung" gemäß der Karlsruher Vorgaben zu schützen, hat der Bundestag das ursprüngliche Gesetz so abgeändert, dass Fahnder das Band bei Bedarf unverzüglich abschalten müssen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat diese Fassung verurteilt, weil sie den Lauschangriff damit nicht mehr für durchführbar hält. Auch Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) bemängelte vor der heutigen Abstimmung, dass der rot-grüne Entwurf "nicht sehr praxistauglich" sei. Sein hessischer Kollege, Christian Wagner von der CDU, monierte, dass die Neuregelungen "unnötige Restriktionen für die Strafverfolgungsbehörden vorsehen". An einigen Stellen seien die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts überschritten worden. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) kritisiert dagegen, dass der Gesetzgeber nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Mut hätte aufbringen müssen, das Ermittlungsinstrument völlig fallen zu lassen. (Stefan Krempl) / (jk)