Kritik an Berichtsentwurf der EU-Arbeitsgruppe für geistiges Eigentum

Empfehlungen zum Urheber- und Patentrecht einer Projektgruppe zur Zukunft von Informations- und Kommunikationstechnologien der EU-Kommission werden von Mittelstands- und Verbraucherschutzverbänden scharf kritisiert.

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Ein Berichtsentwurf der Arbeitsgruppe "Geistige Eigentumsrechte" der IT-Task-Force der EU-Kommission ist bei Mittelstands- und Verbraucherschutzverbänden auf scharfe Kritik gestoßen. Die Interessensvertreter halten bereits den Ansatz des Papiers für verfehlt, einen stärkeren Schutz geistigen Eigentums mit der Förderung von Innovation gleichzusetzen. Schwer besorgt zeigen sie sich zudem über die Empfehlung, der weit gehenden Vergabepraxis des Europäischen Patentamtes (EPA) den Rücken zu stärken und für eine bessere Durchsetzbarkeit der erteilten Monopolansprüche zu plädieren. Gleichzeitig beklagen die Organisationen, dass ihre Eingaben für den Report ganz oder teilweise unter den Tisch gefallen seien.

Die "Sherpas" der sechs Arbeitsgruppen trafen sich am heutigen Dienstag in Brüssel, um ihre Ergebnisse abzusprechen. Der endgültige Report mit den Empfehlungen an die Kommission soll Ende November fertig gestellt werden. Die Zusammensetzung der gesamten Task-Force zu Informations- und Kommunikationstechnologien war im Juli bereits von Mittelstandsvereinigungen als zu industrielastig bemängelt worden. Nun gibt es vor allem gegen das Dokument zum Themenkomplex "geistiges Eigentum, Wettbewerbskraft und Innovation" heftigen Widerspruch. Es entstand unter der Leitung des SAP-Patentanwalts Bernhard Fischer.

Der heise online vorliegende Entwurf des Papiers sieht im Patentschutz ein Antriebsmittel der Wirtschaft. Oft sei ein gewerbliches Schutzrecht das "Schlüsselelement", um das herum ein Startup "sein gesamtes Geschäft organisiert", heißt es in der aktuellen Fassung. Eine von der Lobbyvereinigung Business Software Alliance (BSA) bezahlte Studie wird angeführt, wonach der IT-Sektor in Osteuropa in den vergangenen vier Jahren weltweit am schnellsten gewachsen sei. Dass dies zusammenfalle mit dem gleichzeitigen Aufbau von "Regimes" zum Schutz geistigen Eigentums in diesem Gebiet, interpretiert der Bericht als Beleg für die innovationsfördernde Kraft von Patenten und Urheberrechten.

Das Papier räumt ein, dass Fragen zur Aufrechterhaltung der Interoperabilität im Kontext geistiger Eigentumsrechte auftauchten und sich die Industrievertreter nicht auf eine einheitliche Definition "offener Standards" und eventuell anfallende Lizenzkosten einigen konnten. Es hält auch fest, dass kleine und mittlere Unternehmen die Kosten, die schwere Zugänglichkeit und die Komplexität des Patentwesens fürchten und diese Bedenken nicht allein mit Hilfe "verbesserter Kommunikation" ausgeräumt werden könnten. Darüber hinaus müssten die "Defizite" bei der Patentvergabe in anderen Rechtssystemen in Europa vermieden werden, also etwa Schutzvorkehrungen gegen die "so genannten Patent-Trolle" getroffen werden. Derlei Systemmissbrauch hält das Papier aber für ein rein US-amerikanisches Problem, da nur das US-Patentwesen "Elemente" etwa zur Erlangung einstweiliger Verfügungen oder zur einfachen Durchsetzung von Patentansprüchen auch vor Gericht enthalte.

Nichtsdestoweniger ruft die Arbeitsgruppe zu "dringenden institutionellen Reformen" der Patentgerichtsbarkeit in der EU auf. Zu mehr Rechtssicherheit und zur Kostenreduzierung würden vor allem eine rasche Annahme des Londoner Übereinkommens zur Reduzierung der erforderlichen Übersetzungen von Anträgen sowie des umstrittenen European Patent Litigation Agreement (EPLA) führen. Eine damit einhergehende einheitliche Patentgerichtsbarkeit löste in den USA die "amerikanischen Verhältnisse" einschließlich der Durchsetzung von Patenten auf Software und Geschäftsmethoden erst mit aus.

Das Papier erwähnt Bedenken dritter Seite bezüglich einer zu engen Verbindung zwischen den Beschwerdekammern des EPA und den künftigen EPLA-Gerichten. Allgemein will es die Münchner Patentbehörde als "Türsteher" bei der Patentvergabe erhalten wissen und lobt ihre "strengen" Prüfverfahren. Die vom EPA praktizierte Umsetzung des Europäischen Patentabkommens nebst der Vergabe von Monopolansprüchen auf "computerimplementierte Erfindungen" funktioniere gut.

Die Mittelstandsinitiative patentfrei.de hatte dagegen vergangene Woche fristgemäß gefordert, dass das EPLA zurückgewiesen werden sollte. Gemeinsam mit dem Brüsseler Dachverband der Verbraucherschützer BEUC gaben die Unternehmer ihrer Besorgnis Ausdruck, dass das Streitregelungsabkommen eine ähnlich schädliche "Harmonisierungswirkung" entfalten könnte wie die vom EU-Parlament zurückgewiesene Softwarepatent-Richtlinie. Weiter setzte sich patentfrei.de dafür ein, dass Schutzansprüche auf Computerprogramme in dem Bericht verurteilt werden sollten. Wichtig sei auch ein Aufruf, das EPA endlich der Kontrolle einer demokratischen Institution zu unterstellen. Festgeschrieben sollte ferner werden, dass Software-Entwickler in der Regel das Urheberrecht als ausreichenden Schutz für ihre Arbeit betrachten würden.

BEUC machte sich überdies dafür stark, dass im Bericht das öffentliche Interesse an der Nutzung geschützter Werke und Erfindungen nicht komplett vernachlässigt und auf die Gefahr einer "Kriminalisierung von Konsumenten" durch eine ausufernde Verfolgung von Verstößen gegen geistige Eigentumsrechte aufmerksam gemacht werden sollte. Die Verbraucherschützer fürchten, dass mit zunehmenden Patentstreitfällen das System insgesamt schädliche Auswüchse für den Mittelstand, den Wettbewerb und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher entfalten könnte. Insbesondere die Bedenken von patentfrei.de integrierte der Arbeitsgruppenleiter allerdings nicht mehr in das Papier. Die Unternehmergruppe beklagt daher eine "bewusste Unterdrückung ihrer Ansicht". Wegen Verletzung der Task-Force-Prinzipien hat sie einen Kommissionsbeauftragten eingeschaltet. (Stefan Krempl) / (vbr)