Bei anonymer Online-Beleidigung drohen in den USA künftig Haftstrafen

Anonyme Beschimpfungen und Beleidigungen, die in Internet-Foren, per SMS oder E-Mail gegenüber anderen Personen geäußert werden, können in den USA künftig empfindliche Geldbußen und sogar Gefängnisstrafen nach sich ziehen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Anonyme Beschimpfungen und Beleidigungen, die in Internet-Foren, per SMS oder E-Mail gegenüber anderen Personen geäußert werden, können in den USA künftig empfindliche Geldbußen und sogar Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren nach sich ziehen. Grundlage bildet ein von US-Präsident George W. Bush in der vergangenen Woche unterzeichnetes Gesetz mit dem Titel "The Violence Against Women and Department of Justice Reauthorization Act of 2005". Eingebettet in das Gesetz, das insbesondere die Finanzierung von Programmen des US-Justizministeriums zur Kriminalitätsbekämpfung in den kommenden Jahren regelt, ist ein Passus, der das so genannte Cyberstalking behandelt.

Cyberstalking – eine moderne Form des Mobbings, bei der sich Täter elektronischer Medien bedienen, um ihre Opfer zu verfolgen und zu belästigen – entwickelt sich nicht nur in den USA zu einem immer häufiger auftretenden Gesellschaftsproblem. So wurde beispielsweise am gestrigen Montag im hessischen Marburg ein Angeklagter zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, weil er aus Rache gegen seine Ex-Freundin ein privates Sex-Video sowie verfälschte Pornobilder im Internet veröffentlicht hatte. Die Verfolgung der Täter gestaltet sich oft schwierig, weil sie ihren digitalen Psychoterror meist über anonyme E-Mail-Accounts und unter falschen Usenet-Identitäten betreiben.

Die Definition von Belästigung im neuen US-Gesetz ist allerdings derart weit ausgelegt, dass Bürgerrechtsorganisationen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) mit großen Einschränkungen bei der Nutzung von Internet-Foren und Chatrooms rechnen. So heißt es in dem Gesetz nämlich: "Whoever [...] utilizes any device or software that can be used to originate telecommunications or other types of communications that are transmitted, in whole or in part, by the Internet [...] without disclosing his identity and with intent to annoy, abuse, threaten, or harass any person [...] who receives the communications [...] shall be fined under title 18 or imprisoned not more than two years, or both."

"Die Verwendung des Begriffs 'annoy' in dem Gesetzestext ist besonders problematisch", erläuterte ACLU-Rechtsberater Marv Johnson gegenüber dem US-News-Dienst CNet. "Was für den einen belästigend oder störend ist, kann für andere Personen ganz normal sein." Offenbar hatten die Protagonisten des Gesetzes eine im September vom US-Repräsentantenhaus mit großer Mehrheit verabschiedete Fassung nachträglich noch einmal überarbeitet, denn damals wurde in der Passage "Preventing Cyberstalking" lediglich die "Zufügung beträchtlichen emotionalen Schadens" mittels eines "interaktiven Computerdienstes" als Straftatbestand definiert.

Unter der neuen Definition könnten sich künftig beispielsweise auch Politiker belästigt oder gestört fühlen, die anonym in Internet-Foren kritisiert werden. Clinton Fein, Betreiber der Website Annoy.com, erwartet unterdessen Ärger von Personen, denen sein schwarzer Humor nicht passt. Fein bietet die Möglichkeit, (anonym) Postkarten mit Motiven zu verschicken, die den "guten Geschmack" nicht immer treffen. Ohne Gegenwehr will Fein sich der neuen Gesetzeslage aber nicht fügen: "Schließen werde ich meine Seite ganz bestimmt nicht. Ich berufe mich auf den ersten Verfassungszusatz." Das First Amendment verbietet dem Gesetzgeber, Zensur an der Redefreiheit von US-Bürgern zu üben und gilt grundsätzlich auch für anonym verfasste Äußerungen, die anderen Personen möglicherweise missfallen könnten.

Siehe dazu in Telepolis: (pmz)