Neuer Patentstreit in Brüssel verschärft sich

Sozialdemokraten, Grüne und Linke haben einen Gegenantrag zum Vorstoß der Konservativen und Liberalen für eine Patentresolution eingebracht. Im Zentrum ihrer Kritik steht eine neue Patentgerichtsbarkeit, die Hintertüren für Softwarepatente öffnen könnte.

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Sozialdemokraten, Grüne und die linke Fraktion GUE/NGL im EU-Parlament haben einen Gegenantrag (PDF-Datei) zum Vorstoß von Konservativen und Liberalen für eine Patentresolution eingebracht. Im Zentrum ihrer Kritik steht eine neue EU-weite Patentgerichtsbarkeit, die auch Hintertüren für Softwarepatente öffnen könnte. Die Auseinandersetzung um gewerbliche Schutzrechte steuert damit nach der heftigen Lobbyschlacht um die von der EU-Volksvertretung letztlich beerdigte Softwarepatent-Richtlinie auf einen neuen Höhepunkt zu. Über die beiden gegensätzlichen Entschließungsanträge wird das Plenum des Parlaments in Straßburg voraussichtlich Mitte Oktober abstimmen.

Der fraktionsübergreifende Antrag fordert prinzipiell einen "Ausgleich zwischen den Interessen von Patentinhabern und dem übergeordneten öffentlichen Interesse an Innovation und Wettbewerb im Markt". Gleichzeitig wendet er sich hauptsächlich gegen ein vom Europäischen Patentamt (EPA) vorgeschlagenes Streitregelungsabkommen für die EU, für das sich Teile der konservativen Volkspartei und der Liberalen sowie EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy stark machen. Dieses so genannte European Patent Litigation Agreement (EPLA) würde eine einheitliche Gerichtsbarkeit zu juristischen Patentstreitfällen etablieren. Nach Ansicht von Kritikern könnte so die weit gehende, Schutzansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" einschließende Vergabepraxis des EPA leichter durchgesetzt werden.

Das EPLA schwäche die EU-Demokratie, gefährde die Unabhängigkeit der Richter, erhöhe die Prozesskosten und setze kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) größeren Risiken aus, heißt es im Antragstext. Gleichzeitig warnt er konkret vor den Auswirkungen, die das EPLA auf den Bereich der Patentierbarkeit habe. Dabei bezieht der Entwurf für die Resolution exemplarisch auf eine Entscheidung des EPA, ein Microsoft-Softwarepatent auf Datenformate für die Zwischenablage trotz eines eingereichten Einspruchs aufrechtzuerhalten. Besonders bedenklich sei daher, dass Mitglieder der Beschwerdekammern der Münchner Behörde auch als Richter an dem übergeordneten EPLA-Patentgericht vorgesehen sind.

Eva Lichtenberger, EU-Abgeordnete der österreichischen Grünen und Mitglied des bei der Resolution federführenden Rechtsausschusses, bezeichnete das EPLA gegenüber heise online als "Quatsch". Sollte McCreevy mit seiner Unterstützung des Streitregelungsabkommens Erfolg haben, würde er den EU-Institutionen und dem europäischen Mittelstand Schaden zufügen. Aber auch Großkonzerne wie Nokia und GlaxoSmithKline hätten Kritik am EPLA geäußert. Es sei daher höchste Zeit für die Binnenmarktkommission und "bestimmte Konservative, dieses ständige und unzeitgemäße Drängen auf immer mehr Patente zu beenden".

"Wir sind ganz dafür, das europäische Patentwesen zu verbessern, aber die Suche nach Lösungen muss sich weiter im Rahmen der EU abspielen", argumentieren die rechtspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, Maria Berger, und der ehemalige französische Premierminister Michel Rocard von den Sozialisten in eine ähnliche Richtung. "Dazu gehören auch demokratische Kontrolle und wirklich unabhängige Gerichte." Das bestehende System einfach nur auszudehnen, worum es beim EPLA gehe, "bringt uns nicht weiter". Gefragt sei vielmehr "eine umfassende Strategie für geringere Kosten und höhere Qualität, wenn die EU-Patentpolitik die europäische Wirtschaft und insbesondere KMU stärken soll". Der frühere Space-Shuttle-Astronaut Umberto Guidoni erinnerte im Namen der GUE/NGL-Fraktion zudem daran, dass das Parlament mit der Ablehnung der Softwarepatent-Richtlinie seine Kritik an der Erteilungspraxis des EPA in bestimmten Gebieten deutlich gemacht habe. Der Italiener betonte weiter: "Deshalb wollen wir kein neues Gericht, das von praktisch denselben Leuten wie das EPA kontrolliert würde."

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (anw)