Mit verdeckten Online-Durchsuchungen gegen die Mafia?

Die Forderung von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, mit Netzbespitzelungen Mafia-Morde zu verhindern und Datenschutz nicht zum Täterschutz verkommen zu lassen, ist bei SPD, FDP und Grünen auf Proteste gestoßen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 386 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die der Mafia zugeschriebenen jüngsten Mordfälle in Duisburg haben den Streit um die Ausweitung der Überwachungsbefugnisse der deutschen Sicherheitsbehörden weiter angeheizt. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, Deutschland brauche eine Gesetzgebung, die optimale Möglichkeiten zur Verbrechensbekämpfung biete. Dazu gehöre auch die von vor allem von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geforderte verdeckte Online-Durchsuchung von PCs. "Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden", betonte Pofalla im Duktus des geplanten CDU-Grundsatzprogramms. Zuvor hatte der Generalsekretär die geplanten Netzbespitzelungen, die laut Schäuble dem Bundeskriminalamt (BKA) eigentlich zur besseren Terrorismusabwehr eingeräumt werden sollen, bereits als Mittel im Kampf gegen Kinderpornographie ins Spiel gebracht.

Mit seinem jüngsten Vorstoß erntete Pofalla aber scharfe Kritik vom Koalitionspartner SPD sowie von den Oppositionsparteien. Spöttisch reagierte etwa der schleswig-holsteinische Innenminister, Ralf Stegner (SPD) auf die Äußerungen des CDU-Politikers: Pofalla habe offensichtlich Kenntnisse darüber, "dass die Tat auf einem PC geplant" worden sei, sagte Stegner gegenüber der Netzeitung. "Warum sollte er sonst die Einführung heimlicher Online-Durchsuchungen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität fordern?" Andernfalls müsse man davon ausgehen, dass "der Mann nicht weiß, wovon er spricht". Für die heimliche Ausforschung von Festplatten und anderen informationstechnischen Systemen gelte weiterhin, "dass deren Notwendigkeit, Praktikabilität und Verfassungsmäßigkeit nachgewiesen werden müssen", hielt Stegner die SPD-Sicht dagegen. Abgewartet werden sollte daher das für Ende des Jahres zu erwartende Urteil des Bundesverfassungsgericht zu der umstrittenen Beschnüffelungsmaßnahme.

"Ich finde das nicht seriös", beurteilte auch die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Pofallas Ansatz. Selbst Schäuble habe Online-Razzien "nie mit dem Vorgehen gegen die Organisierte Kriminalität begründet". Generell sei Deutschland bereits hervorragend gewappnet im Kampf gegen die Mafia. Die Äußerungen des CDU-Generals seien daher "frei von Fachwissen".

Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, betonte zugleich: "Den traurigen, keineswegs alltäglichen Exzess italienischer Mafiosi auf deutschem Boden zum Anlass zu nehmen, um für die rechtsstaatswidrigen Pläne des Bundesinnenministers zu werben, obwohl die Union diese noch nicht einmal in der eigenen Koalition durchzusetzen vermag, ist schlichtweg unseriös." Um der organisierten Kriminalität Paroli zu bieten, brauche es keine gesetzliche Grundlage, "die Herrn Schäuble und seinen Behörden das Herumschnüffeln in PCs aller Bürger erlaubt".

Angesichts der Dimension des Duisburger Verbrechens mit sechs italienischen Opfern forderten neben Pofalla auch Strafverfolger eine Ausweitung der Fahndungsmöglichkeiten. Der Vizechef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Wilfried Albishausen, beklagte rechtliche Einschränkungen bei Überwachungsmaßnahmen in Deutschland. "Ganoven beobachten so etwas sehr genau und fühlen sich natürlich da wohl, wo sie den Eindruck haben, dass sie relativ unbehelligt untertauchen, aber auch ihren Geschäften nachgehen können", sagte er im RBB-Inforadio. Europol-Chef Max-Peter Ratzel kritisierte unterdessen spürbare Mängel in der internationalen Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung: "Wichtige Informationen aus den EU-Ländern" lägen dem EU-Polizeiamt zum Teil nicht vor, "weil nationale Behörden die europaweite Relevanz nicht erkennen und sie nicht weitergeben". Die Befugnisse Europols sind jüngst aber erst deutlich ausgeweitet worden.

Die Auseinandersetzung um heimliche Online-Razzien kann die große Koalition in der kommenden Woche erneut mehrfach fortführen. So sollen die geplanten präventiven Ermittlungsmöglichkeiten für das BKA unter anderem Thema eines Spitzentreffen der Regierungsfraktionen am Montag in Berlin und bei der folgenden Kabinettsklausur am 23. und 24. August auf Schloss Meseberg im brandenburgischen Umland der Hauptstadt sein. Angesichts der vielen offenen rechtlichen und technischen Fragen rund um die Netzbespitzelung ist eine rasche Einigung in diesem Bereich aber nicht in Sicht. (Stefan Krempl) / (ola)