IPTV: Schrumpfende Riesen, wachsende Zwerge

Internet-TV hat das Potenzial, die Fernsehlandschaft drastisch zu verändern. Auf welche Weise genau ist jedoch umstritten, wie die Diskussion einer Expertenrunde in Valencia zeigte.

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Von
  • Axel Kossel

"IPTV ist eine große Umwälzung der TV-Landschaft, größer als seinerzeit die Einführung des Privatfernsehens: Die Großen werden klein, die Kleinen werden größer." Prof. Dr. Helmut Thoma prognostiziert damit eine Zersplitterung der Fernsehlandschaft. Für ihn gibt es dabei kein gutes oder schlechtes Fernsehen, sondern Formate, die akzeptiert oder abgelehnt werden. Als mögliche Verlierer der Entwicklung bezeichnete Thoma die öffentlich rechtlichen Fernsehsender: "Was die machen, wird es in vielen kleinen Portionen im Internet geben."

Thoma äußerte sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf dem Heise Markt & Trend Dialog heute in Valencia. Ihm widersprach der Fernsehjournalist Ulrich Kienzle. Er gehe davon aus, dass die öffentlich-rechtlichen Sender aus dem Umbruch gestärkt hervorgehen werden. Sie würden zwar Marktanteile verlieren, aber ihr Profil schärfen.

Dank IPTV sei der Kanalkampf vorbei und jeder kann auf beliebig vielen Kanälen senden, sagte Dr. Hans Hege, Direktor der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg – "Auf diese Weise haben wir als Aufsichtsbehörde weniger zu tun." Der einzelne Kanal werde durch das wachsende Angebot unwichtig. "Der Anwender braucht Unterstützung, um diese Freiheit nutzen zu können", sagte Hege. Er prognostizierte quasi ein Google für IPTV-Kanäle.

Robert Hoffmann, Vorstand Produktmanagement bei 1&1, erklärte, sein Unternehmen arbeite bereits an solchen Orientierungshilfen. Er sieht viel Potentenzial für IPTV; 1&1 gewinne derzeit jeden Monat viele neue DSL-Kunden, die seit drei Wochen auch auf Fernsehinhalte zugreifen können. Allerdings glaubt er, dass niemand für Free-TV im Internet zusätzlich bezahlen wird. Allenfalls für werbefreie Serien oder Spielfilme sieht er Zahlungsbereitschaft.

Der Nutzung des Rückkanals von IPTV für die Interaktion mit dem Zuschauer erteilte Thoma eine Absage: Das sei wie ein interaktives Restaurant, in dem die Zutaten auf dem Buffet stehen und die Gäste selbst kochen müssen. "Der Zuschauer will einfach nur unterhalten werden. Die Fernbedienung bietet genug Interaktionsmöglichkeiten", sagte Thoma.

Eher, so waren sich die Podiumsteilnehmer einig, dürfte der Rückkanal genutzt werden, um die Vorlieben des Zuschauers zu erfassen. Damit könne man den IPTV-Zuschauer mit intelligenter, zielgerichteter Werbung ansprechen, statt ihn mit Einheitsreklame zu langweilen, sagte Hoffmann. Allerdings, mahnte Medienaufseher Hege, müsse es auch immer Wege geben, "Fernsehen ohne Datamining zu konsumieren".

Siehe dazu auch Technology Review 09/2006: (ad)