Berliner Senat verabschiedet Novelle des Polizeigesetzes

Das rot-rote Landeskabinett der Hauptstadt will mit dem Entwurf die Video- und Handy-Überwachung sowie die DNA-Fahndung ausweiten, doch im linken Flügel der Linken gibt es nun doch Bedenken gegen die Änderungen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 107 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Berliner Senat hat in seiner Kabinettssitzung am heutigen Dienstag den Entwurf zur Novelle des Polizeigesetzes der rot-roten Regierungskoalition in der Hauptstadt beschlossen. Kern der Reformpläne für das "Allgemeine Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin" (ASOG) und dadurch bedingter Änderungen auch im Berliner Datenschutzgesetz ist eine Ausweitung des Zugriffs der Ermittler auf die Videoaufzeichnungen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und anderer privater Stellen. Darüber hinaus hat sich der Senat neben einer einfacheren Fahndung mit Gendaten für einen Ausbau der Handy-Überwachung ausgesprochen. So soll die Berliner Polizei künftig mit Hilfe des IMSI-Catchers auch zur Gefahrenabwehr Mobiltelefone orten dürfen.

Konkret sollen die Strafverfolger in der Hauptstadt gemäß dem Vorhaben künftig zur Abwehr von Gefahren durch Terrorismus sowie zur Eindämmung des Drogenhandels eine spezielle Befugnis zu Videoaufnahmen in Räumen des öffentlichen Personennahverkehrs wie U-Bahnhöfen erhalten. In der Praxis könnte sich die Polizei demnach insbesondere bei dem bereits von der BVG erstellten Überwachungsmaterial bedienen. Die Befugnis des Dienstleisters zur Verarbeitung der selbst hergestellten Videoaufzeichnungen soll dabei inhaltlich auf die Abwehr oder die Verfolgung von Straftaten beschränkt werden. Zudem darf die BVG, die nach einem umstrittenen Modellprojekt bis Ende des Jahres alle 170 U-Bahn-Haltestellen flächendeckend für zwei Millionen Euro mit Kamera-Augen ausrüsten will, die Daten allein an den Polizeipräsidenten in Berlin beziehungsweise Strafverfolgungsbehörden weitergeben. Ferner muss die Betriebsgesellschaft ein mit der Polizei abgestimmtes Sicherheitskonzept erstellen, das die Löschung der Daten spätestens nach 24 Stunden festschreibt. Eine längere Speicherung soll aber möglich sein, wenn die Aufzeichnungen zur Abwehr oder Verfolgung von Straftaten weiter erforderlich sind.

Bei Großveranstaltungen wie der Fanmeile zur Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr sieht der Entwurf eine Klausel vor, wonach die Polizei anlassunabhängig die Videoaufnahmen der Veranstalter zu ihrer Einsatzlenkung und zum rechtzeitigen Erkennen von Gefahren nutzen darf. Zur Verbesserung der Eigensicherung der Ermittlungsbeamten werden diese ferner ermächtigt, bei Personen- und Fahrzeugkontrollen selbst Videoaufzeichnungen anzufertigen. Dies soll aber nur erlaubt sein, wenn der Spähangriff in der konkreten Situation zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

Mit der geplanten Gesetzesänderung werden nach dem Willen des Senats weiterhin Rechtsgrundlagen für die Erhebung und Untersuchung von DNA-Vergleichsproben vermisster Personen und unbekannter Toter geschaffen. Auch eine Befugnis zur Standortfeststellung Vermisster oder Suizidgefährdeter durch die Polizei über die Handy-Ortung ist vorgesehen. Die Vorschrift zur Rasterfahndung soll ferner an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden, welches den umfassenden Datenabgleich durch Länderpolizeien auf der Suche nach islamistischen "Schläfern" in Folge des 11. September 2001 als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärte.

Die neuen, größtenteils präventiven Befugnisse schaffen dem Senat zufolge "transparente Rechtsgrundlagen" für die genannten speziellen Gefahrenlagen und dienen damit "dem Interesse der Bürger an Rechtsklarheit und Bestimmtheit". Beim Berliner Landesdatenschutzbeauftragten möchte man den Vorschlag derzeit nicht öffentlich bewerten. Dass es künftig eine "einwandfreie Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung auf Bahnhöfen gibt", begrüßte einer Sprecherin der Behörde. Es sei nur vernünftig, wenn die Polizei wie die BVG für die Auswertung des Kameramaterials eine eigene Befugnis habe, erklärte auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD).

Linksaußen in der Linkspartei gibt es derweil aber doch noch Bedenken gegen das neue Polizeigesetz. So berichtet das Neue Deutschland über einen offenen Brief der Parteiströmung Antikapitalistische Linke, der für Aufruhr gesorgt haben soll. In dem Schreiben fordert die Gruppierung: "Die Linke sollte die informationelle Selbstbestimmung hochhalten, statt in die 'Terroristenfalle' zu tappen." Zudem wird generell eine stärkere Verteidigung der Grundrechte angemahnt. Die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Marion Seelig, kann den Unmut aber nicht verstehen: "Die Änderungen sind von einem Parteitag abgesegnet worden, als die Koalition beschlossen wurde", verweist sie auf das Arbeitsprogramm von Rot-Rot in der Hauptstadt. Außerdem habe in langen Verhandlungen Schlimmeres wie die von der Polizei geforderte automatische Kfz-Kennzeichenüberwachung verhindert werden können. (Stefan Krempl) / (jk)