Serbien gegen Mobtel: Die Auseinandersetzung geht weiter

Nach einer Richterin wurden nun drei frühere Vorstandsmitglieder des größten serbischen Mobilfunkers verhaftet. Hintergund sind der Kosovo-Konflik und ein komplexes Geflecht widerstreitender politischer und finanzieller Interessen.

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"Die Mobtel-Hexenjagd beginnt" – so betitelte das serbische Medienhaus B92 am heutigen Montag einen Bericht auf seiner Website über die Festnahme von drei Managern des serbischen Mobilfunk-Netzbetreibers Mobtel. Inzwischen wurde die Schlagzeile in "Die Mobtel-Untersuchung beginnt" geändert. Ein Schelm, wer politischen Druck vermutet. Im Kampf gegen den Oppositionspolitiker und Mobtel-Gründer Bogoljub Karic soll nun sogar das Freie Mandat im Parlament des Landes abgeschafft werden. Karic, dessen junge Partei PSS zu den nächsten Parlamentswahlen antreten möchte, hatte fünf Abgeordnete anderer Fraktionen zu einem Parteiwechsel animiert und so eine eigene Fraktion im Parlament gegründet. Um die Minderheitsregierung, die von der Sozialistischen Partei Slobodan Milosevics unterstützt wird, zu stürzen, bedarf es vier weiterer wechselwilliger Mandatare. Die Regierung will daher schnell die Rechtslage ändern, sodass Parlamentssitze nicht mehr den einzelnen Abgeordneten sondern deren Parteien gehören.

Am heutigen Montag wurden in Serbien drei frühere Vorstandsmitglieder der Mobtel festgenommen: Branislav Andjelic, Dusan Djordjevic und Tatjana Rakas. Sie werden von der Polizei verhört und für mindestens 48 Stunden festgehalten. Rakas war nach der Übernahme von Karics Mobtel-Anteilen durch die österreichische Investorengruppe um Martin Schlaff als neue Mobtel-Geschäftsführerin eingesetzt worden. Andjelic ist der frühere E-Abgesandte Jugoslawiens und war Chef der serbischen Internet- und Informatik-Agentur. 2002 war er von der Regierung als Zwangsverwalter der Mobtel eingesetzt worden, während erfolglos gegen Karics Firmengruppe ermittelt wurde. Ein Verkauf der Mobtel an Vodafone war damals gescheitert. Die Namensgleichheit von Djordjevic mit dem ehemaligen Direktor der Nachrichtenagentur Tanjug sei reiner Zufall, sagte Tanjug heute auf Anfrage von heise online.

Die serbische Steuerbehörde hat für heute eine Strafanzeige gegen Bogoljub Karics Bruder Sreten Karic angekündigt. Als Vorsitzender des Mobtel-Vorstands soll er für Steuerhinterziehungen verantwortlich gewesen sein. Die Firma soll 79 Wohnungen für elf Millionen Euro erworben und an Mitarbeiter (darunter vier Mitglieder der Familie Karic) veräußert haben. Da die Mitarbeiter nur einen Bruchteil des Marktpreises bezahlt hätten, seien auch entsprechend geringere Steuern entrichtet worden, klagt die Behörde. Die serbische Nationalbank – deren Vizegouverneur vor kurzem wegen Korruptionsverdachts entlassen wurde – hat im Dezember zum neunten Mal die Liquidation der Astra Bank verfügt. Das Geldinstitut war 1990 von Karic gegründet worden. Seit November 2001 hat die Nationalbank bereits achtmal die Banklizenz entzogen und eine Liquidation zur Eintreibung angeblicher Steuerschulden angeordnet, was jedes Mal vom Obersten Gerichtshof des Landes aufgehoben wurde.

In Belgrad wird auch eine Strafanzeige gegen den früheren Chef der staatlichen Post PTT erwartet. Karics Firma "System Brüder Karic BK-Trade" und die PTT hatten Mobtel 1994 als 51:49-Joint-Venture gegründet. Doch die Regierung reklamiert mindest 58 Prozent für sich, weil verlangte Dividenden nicht gezahlt wurden. Über diese Forderung soll ein schweizerisches Schiedsgericht entscheiden. Der PTT gehören auch 80 Prozent des zweiten Mobilfunk-Netzbetreibers Telekom Srbija. Vergangenes Jahr hatte Karic seine zwischenzeitlich in "BK Trade" umgetaufte Firma an die österreichischen Investoren verkauft. Letzte Woche hatten die Behörden versucht, die BK Trade überhaupt als Eigentümerin eines Mobtel-Anteils auszuschließen, da im Gründungsvertrag eben eine "System Brüder Karic BK-Trade" stehe. Jene Richterin, die die Namensänderung genehmigt hatte, wurde festgenommen. Inzwischen heißt es, dass schon der Gründungsakt der Mobtel illegal gewesen sei, weil ein Joint Venture mit staatlichem Minderheitsanteil der damaligen Rechtslage widerspreche.

Als Ursache für den – laut Regulierungsbehörde rechtswidrigen – Lizenzentzug am 29. Dezember 2005 durch die Regierung und die verordnete Zwangsverwaltung durch die PTT gab die Regierung einen 2003 geschlossen Vertrag zwischen der Mobtel und einem Kosovoalbaner an. Der Vertrag sollte dessen Firma Mobikos die Nutzung der Mobtel-Sender im Kosovo erlauben, wurde aber offenbar nicht erfüllt und nach einigen Monaten wieder aufgelöst. Der Kosovalbaner unterstütze die Unabhängigkeit des Kosovo und somit Terrorismus, was die nationale Sicherheit Serbiens gefährde. Der Vertrag sei außerdem illegal und der Regierung erst durch Medienberichte bekannt geworden, sagt diese. Doch serbische Journalisten widersprechen: Vielmehr habe die Regierung den Vertrag an die Medien weitergeleitet, woraufhin diese vor neun Monaten berichtet hätten. Verica Barac, Präsidentin des "Rates gegen Korruption" hat gegenüber Balkan Insight angegeben, die Regierung bereits vor einem Jahr mit Informationen über irreguläre Vorkommnisse bei der Mobtel konfrontiert zu haben. "Die Zeit war offensichtlich noch nicht reif – Karic war noch nicht die politische Bedrohung, die er heute ist." Sie kritisiert auch die Vorgehensweise der Regierung, aus der Karic Ansprüche auf Schadenersatz erwachsen könnten.

Siehe hierzu auch:

(Daniel AJ Sokolov) (ssu)