Auskunftsansprüche gegen Provider bei Verletzungen des Urheberrechts vorgesehen

Praktisch zeitgleich mit dem zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle will die Bundesregierung wie angekündigt auch die Umsetzung der Intellectual Property Rights Enforcement Directive der EU angehen.

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Von
  • Monika Ermert

Praktisch zeitgleich mit dem zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle will die Bundesregierung wie angekündigt auch die Umsetzung der so genannten Durchsetzungsrichtlinie angehen (offizieller deutscher Titel: Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, PDF.Datei, im englischen Intellectual Property Rights Enforcement Directive, IPRED, genannt). Die im April 2004 nach heftigen Auseinandersetzungen verabschiedete Richtlinie zielt darauf ab, erklärt der Anfang Januar veröffentlichte Referentenentwurf (PDF-Datei) des Bundesjustizministeriums, "durch die Verbesserung der Stellung der Rechtsinhaber beim Kampf gegen Produktpiraterie ein(en) Beitrag zur Stärkung des geistigen Eigentums" zu leisten. Begründet wird dabei vor allem auch der viel beschworene Auskunftsanspruch der Rechteinhaber gegenüber den "Piraten" einerseits ebenso wie gegenüber Dritten, darunter auch den Internet-Providern.

"Bei den Debatten zum zweiten Korb wurde vom Justizministerium zunächst vertreten, dass der Auskunftsanspruch nicht zusätzlich ins Gesetz müsse. Er sei bereits auf der Grundlage des bestehenden Rechts durchsetzbar," sagt der Rechtsanwalt Pascal Oberdörfer, Leiter des Referats Urheberrecht beim Münchner Institut für Urheber- und Medienrecht, das den Referentenentwurf auf seiner Seite veröffentlicht hat. Zur Begründung heiße es nun, meint Oberndörfer, dass die im BGB (Paragraph 1004) verankerte so genannte Störerhaftung doch nicht ausreiche.

Der neue Paragraph 101 des Urheberrechts sieht künftig vor, dass in Fällen "offensichtlicher Rechtsverletzung" der Auskunftsanspruch greift, und zwar "auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß 1. rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatte, 2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, 3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder 4. (…) an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Vervielfältigungsstücke, sonstigen Erzeugnissen oder Dienstleistungen beteiligt war (…)." Wenn die Auskunft nur durch die Verwendung der Verkehrsdaten erteilt werden kann, muss zuvor beim Landgericht eine richterliche Anordnung eingeholt werden. Die für den Erlass anfallenden Einheitskosten von 200 Euro muss erst einmal der Geschädigte übernehmen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses wird dafür explizit eingeschränkt.

Inwieweit die Maßnahmen nur gegen illegale Kopierer im großen Stil (also bei der Verletzung der Rechte am geistigen Eigentum zur Profiterzielung) zur Anwendung kommt, geht aus dem Entwurf nicht deutlich hervor. Eine klare Aussage zu höheren Anforderungen für den Einsatz erweiterter Maßnahmen gibt es für das Einfrieren von Bankkonten oder ähnlich drastischen Maßnahmen gegen Produkt-, Patent- oder Markenpiraten. "Besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung, erstreckt sich der Anspruch auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz oder Handelsunterlagen." Die Vernichtung, Rückgabe oder Bezahlung illegaler Kopien und die Vernichtung der Geräte, die für die Vervielfältigung gedient haben, ist im neuen Paragraphen 98 aber nicht klar an Piraterie im großen Stil geknüpft.

Kritiker der EU-Richtlinie hatten in den Debatten zur ersten Intellectual Property Rights Enforcement Directive (IPRED1, PDF-Datei) im Parlament vor einem hochgerüsteten Kampf gegen jugendliche Filesharer gewarnt. Der ursprüngliche Entwurf der Richtlinie, den die französische Abgeordnete Janelly Fourtou vorgelegt hatte, sah auch strafrechtliche Maßnahmen vor. Fourtou geriet mit ihrer harten Linie in die Kritik, da ihre Gegner darauf hinwiesen, dass sie möglicherweise nicht gänzlich neutral sei: Fourtou ist die Ehefrau des Vivendi-Aufsichtsratchefs Jean-Rene Fourtou. Zuletzt nahm das Parlament eine entschärfte Variante an.

Die von der EU-Kommission im vergangenen Jahr nachgeschobenen Dokumente, eine weitere Direktive und ein Rahmenbeschluss wurden vorerst wieder auf Eis gelegt. IPRED2 (PDF-Datei) sah EU-weit einheitliche Geldstrafen zwischen 100.000 und 300.000 Euro oder auch Gefängnisstrafen für Urheberrechtsverletzer vor. Wann und wie es mit der neuen Version der Direktive weitergeht, sei derzeit noch nicht klar, heißt es auf Seiten der Kommission. Ohnehin müssen die nationalen Gesetzgeber erst einmal IPRED1 verdauen und in nationales Recht umsetzen. Immerhin umfasst diese nicht nur das klassische Urheberrecht, sondern auch das Patentrecht, das Markenrecht, das Gebrauchsmusterrecht, das Geschmacksmusterrecht und das Sortenschutzrecht. Dass auch diese Bereiche erfasst werden, hatte die EU-Kommission nachträglich ohne weitere Debatte beschlossen.

Zu den Diskussionen und juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Monika Ermert) / (jk)