Dirk Niebel will E10 abschaffen

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) spricht sich gegen E10-Kraftstoff aus. Er sieht einen Konflikt zwischen "Tank und Teller". Sein Vorstoß kommt etwas überraschend

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Von
  • Gernot Goppelt

(Bild: Aral)

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ist gestern zu einer Reise nach Kenia aufgebrochen. Zuvor ließ der Minister am Mittwoch noch ein Bömbchen platzen, indem er öffentlich forderte, den Verkauf des "Biosprits" E10 zu stoppen. Wie unter anderem Telepolis berichtet, sieht Niebel einen Konflikt zwischen "Tank und Teller". Der Vorstoß überrascht: Die Einführung von E10 war zwar von einer ausufernden Tank-und-Teller-Diskussion begleitet, welche die Bundesregierung mit Beteiligung der FDP aber nicht daran hinderte, eben diesen Kraftstoff einzuführen.

Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), hält ein Verbot von E10 für wirkungslose Symbolpolitik. Ein E10-Verbot hätte keinerlei Auswirkungen auf die Ernährungssituation in den Entwicklungsländern. Für die Bioethanolproduktion werde nur der Stärkeanteil des Getreides genutzt, das verbleibende Protein werde zu Tierfuttermittel verarbeitet. Dies mache etwa ein Drittel der Getreidepflanze aus. Von der deutschen Getreideernte gingen im vergangenen Jahr laut Baumann etwa vier Prozent in die Bioethanolproduktion, also rund 1,5 Mio. Tonnen. Dies mache etwa 0,1 Prozent der Weltgetreideernte aus. Daraus hätten die deutschen Hersteller neben Bioethanol etwa 500.000 Tonnen Eiweißfuttermittel produziert.

Wie die WAZ heute berichtet, unterstützen dagegen Hilfsorganisationen wie "Brot für die Welt" Dirk Niebel. "Es ist ungerecht und verantwortungslos, dass Menschen hungern müssen, damit wir mit einem scheinbar reinen Gewissen unsere Autos tanken können. Land muss zuerst dafür da sein, um Nahrungsmittel anzubauen", sagte der Sprecher der evangelischen Organisation, Rainer Lang. Harsche Kritik gab es auch schon früher. Ende 2010 sagte der Chef des Münchener ifo-Instituts, Ökonom Hans-Werner Sinn: "Die Förderung des Biosprits hat Hungerkrawalle mitverursacht". So sei durch den hohen Mais-Bedarf auch die Tortilla-Krise 2007 in Mexiko entstanden. Biosprit sei ein teurer Irrweg.

Der Einführung von E10 Anfang 2011 war eine jahrelange Diskussion vorausgegangen. Der neue Kraftstoff sollte ursprünglich 2009 eingeführt werden, doch schon im April 2008 scheiterte der erste Anlauf. Der damalige SPD-Umweltminister Gabriel begründete die Verschiebung damit, dass zu viele Autos den neuen Kraftstoff nicht vertragen würden. Als der neue Sprit dann zu den Tankstellen kam, wurde er geradezu boykottiert. Dabei spielten vor allem Ängste der Autofahrer eine Rolle, ihre Motoren könnten beschädigt werden. Zudem störte es manch einen, dass der höhere Ethanolanteil einen leichten Leistungsverlust und etwas höheren Verbrauch verursacht.

Der Boykott zeigte Wirkung: Schon im März 2011 wurde der Verkauf an vielen Tankstellen gestoppt. "Das System platzt sonst", sagte seinerzeit der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV), Klaus Picard. Die Raffinerien und Tankstellen würden auf dem neuen Sprit sitzen bleiben. Die Unlust hält bis heute an: Nach einer Infratest-Studie tanken Autofahrer nach wie vor nur selten E10, obwohl laut ADAC bislang keine Schäden durch den "Biosprit" bekannt worden seien. Warum ausgerechnet jetzt Dirk Niebel dieses Fass jetzt wieder aufmacht, ist unklar. Vielleicht will er sich an der ökologischen und marktliberalen Front gleichzeitig profilieren.

Forscher der Universität Hohenheim haben vor kurzem übrigens den gegenteiligen Weg vorgeschlagen. Sie wollen den Anteil von Ethanol auf 20 Prozent erhöhen. Die deutsche Bioethanolproduktion sei dafür besonders gut geeignet. Getreide- und Kartoffelüberschüsse könnten besser als bisher verwertet werden – die Nahrungsmittelproduktion sei davon nicht beeinträchtigt. Aber lässt sich das verallgemeinern? Wenn, wie Telepolis schreibt, in den USA 40 Prozent der Maisernte zur Herstellung von Biosprit verwendet werden, ist kaum vorstellbar, dass dies nicht auf Kosten von Nahrungsmitteln geht.

In Deutschland mit seinen weitaus kürzeren Strecken könnte er dagegen ein Substitut für die Verwendung mit Range-Extender-Antrieben sein. Wenn es stimmt, dass hierzulande die Menschen täglich meist nicht mehr als 40 Kilometer fahren, fährt man meistens elektrisch, das Tanken wird dann zum Ausnahmefall. Mir sind noch keine Musterrechnungen bekannt, wie stark man den Kraftstoffbedarf auf diese Weise drücken könnte. Doch es wäre ein kleiner Bruchteil des heutigen Konsums.

Biosprit kann eine wertvolle Ergänzung für die Elektromobilität sein. Die Frage ist: Wieviel darf es ohne Auswirkungen auf die Nahrungserzeugung sein? (ggo)