Abmahnungen gegen Facebook-Pages

Ein IT-Systemhaus mahnt derzeit in großer Zahl gewerbliche Facebook-Page-Betreiber wegen unzureichender Anbieterkennzeichnungen ab und bestätigt damit Befürchtungen von Rechtsexperten, die auf diese Problematik schon lange hingewiesen haben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 310 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Holger Bleich

Eine unbekannte Anzahl gewerblicher Betreiber von Facebook-Pages erhielt in dieser Woche unerbetene Post des Rechtsanwalts Hans-Werner Kallert (Kanzlei HWK) aus Maxhütte-Haidhof. In den stets nahezu gleich lautenden Abmahnungen wirft Kallert den Betreibern vor, kein Impressum auf ihren Pages zu führen und damit einen Wettbewerbsrechtsverstoß gegenüber seiner Mandantin zu begehen.

Als Beleg für den Verstoß liegt den Abmahungen jeweils ein Screenshot der beanstandeten Facebook-Page bei. Diese Screenshots zeigen allerdings in den uns bekannten Fällen nicht die gesamte Page, sondern – erkennbar an den horizontalen und vertikalen Scrollbalken – jeweils nur einen Ausschnitt. In Foren geben Abgemahnte außerdem an, dass die Screenshots nicht wie in den Abmahnungen behauptet vom 13. August, sondern teilweise bereits Wochen alt seien.

Seine Mandantin stelle "ein IT-Systemhaus mit stark erweitertem Kompetenzbereich dar", erläutert Anwalt Kallert den Abgemahnten (meist IT-Unternehmen). Daher nehme dieses Unternehmen am gleichen Markt teil und sei als Mitbewerber im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beurteilen. Mit einem fehlenden Impressum verschaffe sich der Abgemahnte folglich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil.

Bei der Mandantin handelt sich um die Firma Binary Services GmbH aus Regenstauf. Deren Geschäftsführer Florian Blischke hat es in jüngerer Vergangenheit im Zusammenhang mit Filesharing-Abmahnungen zu einiger Bekanntheit gebracht. Sein Unternehmen "BHIP reliable netservices" forschte für die Massenabmahnkanzlei Urmann+Collegen nach Tauschbörsennutzern, die unter anderem urheberrechtlich geschützte Pornofilme in Tauschbörsen angeboten haben sollen.

Dabei kam es offenbar in einigen Fällen zu Fehlern. Unbescholtene Bürger sollen Berichten zufolge von Urmann+Collegen abgemahnt worden sein. Dies führte sogar soweit, dass das Oberlandesgericht Köln zu große Zweifel an der seriösen IP-Adress-Ermittlung von Blischkes BHIP reliable netservices hegte: Das Gericht verweigerte Urmann+Collegen einen ansonten üblichen Herausgabebeschluss von Anschlussinhaberdaten zu IP-Adressen der angeblichen Tauschbörsennutzer, "weil nicht festgestellt werden kann, dass von den in der Anlage aufgelisteten IP-Adressen aus Rechtsverletzungen begangen worden sind."

Eben jener Florian Blischke betreibt jetzt gemäß des Impressums zusammen mit Marco Hahn das IT-Systemhaus Binary Services. Wir haben Blischke nach Beispielprojekten gefragt, die seine Firma bearbeitet. In seiner Antwort ging er auf diese Frage nicht ein. Er bestätigte, dass die Abmahnungen "unserem Auftrag an unseren Anwalt entsprechen" würden. Zu den Screenshots bemerkte er, ein Impressum, das erst durch mehrfaches Scrollen zu entdecken sei, sei so zu bewerten, als sei keines vorhanden.

Damit spielt Blischke auf Betreiber an, die ihre Anbieterkennzeichnung als Eintrag in ihre Timeline auf der Facebook-Page untergebracht haben. Diese Vorgehensweise ist in der Tat umstritten. Ebenso ist es derzeit schwierig ein Impressum bei Facebook so zu erstellen, dass es auch auf mobilen Endgeräten leicht wahrgenommen werden kann. Rechtsanwalt Lars Jaeschke hat im Interview mit heise resale bereits im Januar 2012 auf die diesbezüglichen Unklarheiten hingewiesen und Befürchtungen geäußert, dass Streitigkeiten um mangelhafte Anbieterkennzeichnungen auf gewerblichen Facebook-Pages zunehmen könnten.

Die von Anwalt Kallert Abgemahnten haben eine Frist bis zum 21. August 2012 erhalten, um die vorformulierte Unterlassungserklärung zurückzusenden und die Abmahngebühren von 265,70 Euro zu überweisen. Als Streitwert setzt Kallert 3000 Euro an. Mit der Abwehr der Abmahnung beauftragte Rechtsanwälte raten bereits öffentlich, die Unterlassungserklärung nicht unmodifiziert abzugeben. Im Forum des Portals Seitenreport haben sich derweil dutzende Opfer der Abmahnwelle zusammengetan und diskutieren die Problematik.

Betroffene finden auf heise resale einen Beitrag mit Tipps zum Umgang mit dieser Abmahnwelle. (hob)