Verhandlungen über .com-Registry weiter hinter verschlossenen Türen

Nach Protesten gehen die Verhandlungen zwischen der ICANN und VeriSign über eine Verlängerung des Auftrags zum Betrieb der .com-Registry unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
  • Mattias Hermannstorfer

Für einigen Ärger sorgen Verhandlungen der Internet-Verwaltungsorganisation ICANN mit dem Registry-Betreiber VeriSign. Trotz massiver Proteste gegen einen beim letzten Treffen der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers in Vancouver vorgelegten neuen Vertrag zum Betrieb der lukrativen .com-Zone gehen die Verhandlungen zwischen der ICANN und VeriSign offenbar hinter verschlossenen Türen weiter. "Das läuft weiter so intransparent wie bisher", kritisierte Tom Keller von Schlund+Partner, einem Mitglied in dem für Internet-Adresszonen zuständigen Rat der Generic Names Supporting Organisation. Darin sind Registry-Betreiber, Registrare, Internet-Provider, Nutzervertreter sowie die Geschäftskunden- und Markenrechtslobby vertreten.

Da die ICANN dem GNSO Council einen für diese Woche zugesagten Bericht zum aktuellen Stand der Verhandlungen schuldig blieb, hat der Rat das ICANN-Büro nun ultimativ aufgefordert, ihm innerhalb der kommenden zwei Wochen einen Bericht zu den Grundsatzfragen der .com-Vertragsverlängerung zukommen zu lassen. Aus Sicht des Rats enthält der Neuvertrag politische Weichenstellungen, die die ICANN satzungsgemäß nur auf der Basis eines internen Konsensprozesses fällen darf. Auf der Basis des Berichts werde dann entschieden, welche Konsultationsprozesse – in der ICANN-Sprache heißen sie Policy Development Process (PDP) – notwendig seien.

Der Vorsitzende des Registrargremiums (Registrar Constituency) Bhavin Turakhia befürchtet, dass VeriSign die .com-Registry-Preise beträchtlich erhöhen kann und für die ICANN zusätzliche Gebühren von 15 Cents Pro Domain einziehen soll. Außerdem soll VeriSign von gemeinschaftlich entwickelten Veränderungen wie etwa der Einführung neuer Registry-Services für drei Jahre ausgenommen werden. Der Einfluss der ICANN auf die Einführung solcher neuer Registry-Zusatzdienste hatte im Zusammenhang mit der Sitefinder-Affäre zu einer Klage des Ex-Monopolisten gegen die ICANN geführt. Mit Abschluss des neuen, praktisch unbegrenzt laufenden .com-Vertrages wollte VeriSign diese für erledigt erklären, nach Meinung der Registrare und der gesamten GNSO könnte die ICANN den Prozess jedoch mit guten Erfolgschancen durchziehen.

Ein Urteil gegen VeriSign würde der ICANN sogar erlauben, die .com-Registry neu auszuschreiben, denn damit wäre ein Vertragsbruch seitens VeriSign offiziell festgestellt. Kritiker des .com- und des vorangegangenen .net-Deals wie Marcus Fauré von VeriSign-Mitbewerber CORE empfehlen, .com tatsächlich neu auszuschreiben. "Ich sage nicht, dass man neu ausschreiben muss", meint Turakhia. "Allerdings hätte eine Neuausschreibung mit Blick auf die Wettbewerbssituation Vorteile." Auch um vergleichbare Bedingungen für Vertragsverlängerungen will sich die GNSO kümmern.

Das Argument eines größeren Wettbewerbs taucht schließlich auch in der von der GNSO vorangetriebenen Diskussion zur Einführung neuer Domains auf. Verschiedene ICANN-Direktoren, nicht zuletzt der ICANN-Vorstandschef Vint Cerf, stehen einer Vervielfachung der Adresszonen skeptisch gegenüber. Sie warnen vor weniger Übersichtlichkeit für Nutzer oder der Missbrauchsgefahr eines Massenmarktes. Befürworter einer Erweiterung weisen aber darauf hin, dass ein kompletter Stopp für neue Zonen nur zu einer Verfestigung der .com-Vormachtstellung beitrage.

Eine Tendenz, wie die ICANN-Gemeinde und ICANNs Vorstand sich entscheiden werden, gebe es derzeit nicht, sagt Keller. "Man ist sich erst mal einig, dass die Frage endgültig beantwortet werden muss." Immerhin wird seit 1999 darüber debattiert. Noch bis Anfang Februar sind ICANN-Gremien, Öffentlichkeit und Wissenschaftler aufgefordert, Kommentare oder ausführliche Dokumente zu den Fragen rund um die Auswahl und Einführung neuer Adresszonen einzureichen.

Vor allem die erste Auswahlrunde im Jahr 2000 war als willkürlich kritisiert worden. Nach wie vor hoffen die Antragsteller von damals abgelehnten Domains wie .web und neuen wie .berlin auf eine zweite Runde. Bislang vorgeschlagene Auswahlmodelle für die Zukunft reichen vom schlichten Lizenzierungsprozess für Bewerber bis zu einer Auktion. Diese würde allerdings das Domaingeschäft auch weiterhin den gut betuchten Industrieländern überlassen, warnt US-Anwalt Bret Fausett in einer der vielen derzeit im Netz stattfindenden Diskussionen. Laut Keller dürfe die ICANN allerdings den einmal erteilten Auftrag zum Betrieb einer Registry nicht auf ewig sicherstellen, schließlich würden bei anderen Diensten oder Plattformen im Netz auch keine derartigen Garantien übernommen. (Monika Ermert) / (mhe)