re:publica: "Print ist tot"

Auf der Berliner Konferenz über das "Leben im Netz" diskutierten Vertreter alter und neuer Medien über ihre Zukunft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 151 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Wo knapp 700 Blogger und Journalisten aufeinandertreffen, ist der Konflikt zwischen alten und neuen Medien fast greifbar. Auf der Konferenz re:publica in der Berliner Kalkscheune versuchen Vertreter von klassischen Print-Medien und Onliner einen Blick in die Zukunft zu werfen. Konferenz-Mitorganisator Johnny Häusler schickte sein Fazit vorweg: Er verteilte eine experimentelle Print-Ausgabe seines Blogs Spreeblick. Die Titelschlagzeile "Print ist tot". Das Heft hatte er innerhalb weniger Stunden mit Texten der in Berlin versammelten Blogger gefüllt und 1000 Exemplare drucken lassen.

Dieser Einschätzung des Online-Verlegers Häusler wollten sich auch die angereisten Vertreter der klassischen Medienhäuser nicht verschließen. "Wir würden uns wünschen, dass es immer Zeitungen geben wird. Aber derzeit steht das gar nicht fest", erklärte Handelsblatt-Redakteur und Blogger Thomas Knüwer. Für ihn mangelt es an einer klaren Vorstellung für die Zukunft. "Man hat die künftige Rolle der Zeitung nicht gefunden. Dort bekomme ich heute Nachrichten, die mindestens 12 Stunden oder 24 Stunden alt sind." Statt dem schnellen Informationsmedium Internet mehr Hintergrundberichte und Reportagen gegenüberzustellen, konzentrierten sich die Zeitungen lieber darauf, das gesamte Tagesgeschehen in Meldungsspalten abzuwickeln. Auch im Layout werde das deutlich: "Die alten Medien glauben, sie müssen jetzt aussehen wie das Internet." Ein Fehler, findet Knüwer.

Mercedes Bunz, Chefin der Online-Redaktion des Berliner Tagesspiegels, sieht keinen direkten Gegensatz zwischen dem Publizieren auf Papier und im Netz: "Das Gegeneinander von Internet und Print wird nur an zwei Stellen gepflegt: in den Verlagshäusern und der Blogger-Szene." Den Lesern seien die Grundsatzdebatten egal, sie entschieden sich für das Medium, das ihre Bedürfnisse aktuell besser bediene. Die Arbeit für Online- und Offline-Medien sei aber nicht gleichzusetzen: Für Online-Journalisten gäbe es keine starren Abgabetermine, Print-Medien hingegen bereiteten die Inhalte für den Leser oft ansprechender auf. Bei deutschen Tageszeitungen habe jetzt durchweg eine Experimentierphase mit Online-Inhalten begonnen.

Der Chefredakteur von Focus Online, Jochen Wegner, verwies auf das Miteinander von Print- und Online-Journalisten. So würden viele Focus-Redakteure auch der Online-Redaktion Inhalte anbieten. Wenn der Druckschluss der Print-Ausgabe näher rücke, nehme die Bereitschaft der Print-Journalisten jedoch ab, auch für den Online-Auftritt zu schreiben. Die Strategie "Online first", die derzeit einige deutsche Verlage propagierten, sei Unsinn. Würde ein spannendes Interview kurz nach Andruck in der Redaktion eintreffen, würden die Redakteure erst sehen, wann sie es in der Print-Ausgabe unterbringen könnten.

Knüwer sieht zudem einen Generationenkonflikt in den Redaktionen. So zeige sich ein Teil der Redakteure der Entwicklung im Online-Bereich gegenüber sehr aufgeschlossen, andere hingegen sähen den Wandel sehr kritisch. "In den nächsten ein bis zwei Jahren wird in den Redaktionen ein richtiger Kulturkrieg ausbrechen", vermutet der Redakteur.

Bei aller Liebe zu Online erinnerte Blogger Johnny Häusler auch an die Vorteile des Papiers. Gerade durch die Möglichkeit, Hintergrundinformationen einfach zu verlinken, seien viele Blog-Texte für Außenstehenden fast unlesbar. "Für sich alleine funktionieren diese Blog-Artikel nicht. Man muss erst viel zu viel rumklicken". Dazu bekäme der Leser oft den Eindruck, dass Blog-Schreiber und Leser eine geschlossene Gemeinschaft seien. Bei Papier-Artikeln werde der Autor hingegen gezwungen, dem Leser in seinem Text alle wesentlichen Informationen zusammenzufassen.

Doch nicht nur die Medien ändern sich, auch das Verhalten der Leser wandelt sich stark. Die Leser von Focus Online würden mittlerweile auch lange Hintergrund-Texte zu schätzen wissen, erklärte Wegner. Selbst Texte mit über 10.000 Zeichen würden bis zum Ende gelesen. "Vor Jahren war das eher ungewöhnlich". Doch diese wachsende Vorliebe für Online-Inhalte ist nicht bei jeder Leserschaft festzustellen. So berichtet Knüwer von Leserbeschwerden, wenn einzelne Aktien-Kurse nicht mehr in der Print-Ausgabe des Handelsblatts abgedruckt würden, obwohl die Kurse per Internet schneller und einfacher in Erfahrung zu bringen seien. "Diese Leserbriefe sind dann meist mit Schreibmaschine geschrieben", sagte Knüwer.

Wie Medien in fünf bis zehn Jahren aussehen werden, wollte jedoch kein Panel-Teilnehmer vorhersagen. Auch im Hinblick auf den viel zitierten Bürgerjournalismus herrscht noch große Ungewissheit. So berichtete Katharina Borchert über das Online-Projekt der WAZ Mediengruppe, das redaktionelle Inhalte mit Leserberichten verbinden soll. Wie die Leserschaft auf die Möglichkeiten reagieren werde, sei aber noch unklar: "Die Weisheit haben wir nicht mit Löffeln gefressen. Wir haben uns auf viel Scheitern eingerichtet", resümierte Borchert.

Zur re:publica 07 siehe auch:

(Torsten Kleinz) / (vbr)