re:publica: Im Netz leben -- unfair und unsicher?

Auf der gestern beendeten Konferenz von Bloggern und Journalisten berichteten Workshops über die Schattenseiten des Notebook-Booms und die Schwierigkeiten des Web 2.0.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Mit den Schattenseiten der Produktion von Notebooks, zentrales Werkzeug vieler Blogger, beschäftigte sich ein Workshop auf der Konferenz re:publica, die gestern abend zu Ende ging. Andreas Manhart vom Freiburger Öko-Institut referierte zunächst die Inhalte einer Studie (PDF-Datei), die sein Institut im letzten Jahr veröffentlicht hatte. Negativ formuliert unterstütze ausnahmslos jeder, der sich ein Notebook kauft, die widrigen Arbeitsbedingungen, unter denen Fertiger wie Quanta Computer in China produzieren lassen. Positiv stimme angesichts des weiter wachsenden Notebook-Marktes (100 Millionen Einheiten pro Jahr) die Tatsache, dass auf die Industrie Druck gemacht werden könne, faire Notebooks zu produzieren. Der EU-Abgeordnete Fritjof Schmidt betonte die Rolle von Produktionsstandards beim Umwelt- und Arbeitnehmerschutz. Schmidt zufolge müsste die gesamte Industrie zur Einhaltung solcher Standards ähnlich verpflichtet werden, wie bei der RoHS-Richtlinie. Als EU-Berichterstatter für den fairen Handel mit Waren aus Entwicklungsländern entkräftete Schmidt vorsorglich den möglichen Vorwurf des Protektionismus einer EU, die mit teuren Notebooks den Markt abschotte. Anders als im politisch beliebten Serverbau werde kein einziges Notebook mehr in der EU gefertigt. Allerdings seien Notebooks von der Produktion bis zur Entsorgung in chinesischen "Garbage Cities" komplexe Systeme im Vergleich zu landwirtschaftlichen Produkten. Bei diesen sei das Fair-Trade-Konzept relativ weit gediehen und akzeptiert. Sowohl der Wissenschaftler wie der Politiker hatten indes keine Empfehlungen zum Kauf eines Notebooks parat, "an dem kein Blut klebt", wie dies ein Teilnehmer des Workshops formulierte.

Einen mindestens ebenso interessanten "Blick von unten" auf das Phänomen des Bloggens und des Lebens im Web 2.0 präsentierte Andreas Gehret im API-Workshop der re:publica. Gehret, beim Kontaktnetzwerk Xing für die Software-Entwicklung zuständig, berichtete von den Schwierigkeiten, ein API für die Ansprüche des Web 2.0 zu entwickeln, ohne dass der Datenschutz auf der Strecke bleibt. Im Zuge des allgemeinen Trends zum Mashup berge jedes API für den Zugriff auf bestimmte Xing-Daten die Gefahr, die Privatsphäre der Xing-Teilnehmer zu verletzen, wenn es schlecht programmiert sei. Gehret berichtete von der Veröffentlichung eines APIs, mit dem Xing-Teilnehmer auf Angeboten wie Google Maps lokalisiert werden können. Zwei Stunden nach Veröffentlichung des API-Angebotes trudelte die erste Klage eines Teilnehmers ein, der zwar gegen die Verwendung seiner Daten optiert hatte, sich aber dennoch auf einer Karte sehen konnte. Die scheinbar unverdächtige Möglichkeit, die Postleitzahlen der Teilnehmer auszuwerten, führten zur "Enttarnung", weil es Firmen und Institutionen mit eigenen Postleitzahlen gibt. Nun programmiere man bei Xing unter dauernder Beratung durch Juristen, so Gehret, weil man nicht auf APIs verzichten könne. Sie seien nicht nur für die Software-Modularisierung wichtig: "Soziale Netze können nur dann überleben, wenn sie sich öffnen". Inzwischen habe Xing nicht nur das API neu programmiert und sich durch die Anpassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen juristisch abgesichert. Doch ob die Zustimmung oder Ablehnung bestimmter Punkte reicht, sei ungewiss. "Auch die Juristen können uns nicht sagen, welche Verantwortung Xing hat, die Nutzer darüber aufzuklären, was mit ihren Daten möglich ist. Im Augenblick sind wir ein bisschen ratlos." Als größte Gefahr nannte Gehret die Möglichkeit, dass jemand mittels einer API eine "Hammer-Applikation" schreibt, die im Netz zum Hype wird und massiven Druck auf die Server und Datenbestände ausübt. Mit dieser Gefahr müssten alle Anbieter von Social Software leben – oder von der Bildfläche verschwinden.

Zur re:publica 07 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (se)