Nach Massenflucht in Indien: Regierung blockierte Nachrichten-Websites

Auf der jetzt öffentlich gewordenen Internet-Sperrliste der indischen Regierung finden sich nicht nur Verbreiter von Hassbotschaften, sondern auch internationale Nachrichtenmedien. Mit der Blockade sollte eine anhaltende Massenflucht beendet werden.

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Als die indische Regierung vor wenigen Tagen die Blockade von mehr als 200 Internetseiten anordnete, richtete sich das auch gegen Journalisten, Tageszeitungen, Fernsehsender und Wikipedia. Das geht aus den Anordnungen des Kommunikations- und IT-Ministeriums hervor, die die indische Tageszeitung The Economic Times veröffentlicht hat. In den vier Mitteilungen vom 18., 19., 20. und 21. August (PDF-Dateien) werden die URLs aufgelistet, die umgehend blockiert werden sollen. Auch wenn es sich dabei in etlichen Fällen um provozierende Inhalte handelte, finden sich darunter auch Berichte großer Nachrichtenmedien.

Hintergrund für die Blockade sind seit Monaten andauernde Konflikte im nordostindischen Bundesstaat Assam, aber auch im nahen Myanmar (Burma), die bereits dutzende Todesopfer gefordert haben. Hunderttausende wurden obdachlos. Aus Angst vor Racheakten flohen dann Anfang August massenhaft Inder, die ursprünglich aus der Konfliktregion stammen, aus den Metropolen Pune, Bangalore und Chennai. Angeheizt wurde diese Massenflucht laut Regierung auch durch nachbearbeitete oder in einem falschen Kontext gezeigte Fotos im Internet, zu denen deshalb der Zugang gesperrt werden sollte.

Dabei hatte vor allem das Vorgehen gegen Inhalte auf Twitter für heftige Kritik gesorgt. Nachdem Twitters Kooperation als unzureichend bezeichnet wurde, hatte ein Staatssekretär sogar angekündigt, die US-amerikanische Regierung einschalten zu wollen. Doch wie aus den Listen jetzt hervorgeht, hatte sich die Regierung nicht nur gegen Verbreiter von Hassbotschaften gewandt. So finden sich unter den zu blockenden Accounts auch zwei von Journalisten, ein Feed von Reddit und ein deutlich als Satire gekennzeichneter Account des Ministerpräsidenten von Indien. Darüber hinaus sollen auch bestimmte Trefferlisten der twittereigenen Suchseite blockiert werden.

Eine der Facebook-Seiten, deren Sperrung gefordert wurde.

(Bild: Screenshot)

Daneben finden sich auf den Listen vorwiegend Facebook-Seiten, Youtube-Videos und Blogeinträge, die von vermeintlichen Massakern berichten und zum Handeln aufrufen. Aber darüber werden auch mehrere Beiträge international bekannter Nachrichtenmedien aufgelistet. Eine Fotostrecke des englischen Telegraph über gewalttätige Auseinandersetzungen im Nachbarland Burma soll ebenso blockiert werden, wie ein Bericht des australischen Fernsehsenders ABC über die selben Geschehnisse. Von der geforderten Blockade ebenfalls betroffen ist eine Diskussionsseite auf Reddit sowie gleich mehrere Beiträge des katarischen Nachrichtensenders Al-Dschasira über die Gewalt in Assam. Auch an Einträgen auf Wikipedia hat das Ministerium Anstoß genommen und die Sperrung von drei URLs verlangt, darunter auch der Eintrag zu dem Mohammed-Karikaturenwettstreit des dänischen Jyllands-Posten. Diese Adressen wurden jedoch falsch geschrieben.

Mit der jetzt öffentlichen Sperrliste hat sich auch sehr ausführlich das indische Centre for Internet & Society beschäftigt und verschiedene Aspekte genauer beleuchtet. Während die Intention der Regierung dabei größtenteils Zustimmung erfährt, werden eine ganze Reihe von teilweise simplen Fehlern wie die falschen Wikipedia-URLs aufgelistet. Außerdem stünden auf der Sperrliste Beiträge, in denen die gefälschten Bilder enttarnt würden. (mho)