Bundesregierung verabschiedet Gesetzentwurf zu neuem Leistungsschutzrecht

Vom Gesetz für den Schutz von Presse im Internet sollen Suchmaschinen und News-Aggregatoren betroffen sein. Kritiker fürchten um RSS-Feeds und Twitter; die Bundesregierung betont, reine Verlinkung, normale Nutzer oder Blogger seien nicht betroffen.

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Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine Initiative für den besseren Schutz von Presseerzeugnissen im Internet beschlossen. Betroffen sein sollen von dem geplanten neuen Leistungsschutzrecht neben gewerblichen Betreibern von Suchmaschinen auch News-Aggregatoren. Wörtlich ist in diesem Zusammenhang im Regierungsentwurf die Rede von Anbietern, "die Inhalte entsprechend aufbereiten" wie Online-Suchdienste.

Geschützt werden sollen die Verleger von Zeitungen und Zeitschriften so vor "systematischen Zugriffen" auf ihre Leistung, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Das Geschäftsmodell von Suchmaschinen und vergleichbaren Diensten sei in besonderer Weise darauf ausgerichtet, für die eigene Wertschöpfung auf diese verlegerische Produktion zurückzugreifen. Eine gerade veröffentlichte Studie des Hamburger Beratungsunternehmens TRG bestreitet diese These aber in weiten Teilen. Erfasst werden laut dem Regierungsbeschluss explizit auch entsprechende Dienste, die unabhängig von ihrer technischen Ausgestaltung nicht das gesamte Internet durchsuchen, sondern lediglich einzelne, ausgewählte Bereiche davon. Dies beziehe sich etwa auf News-Aggregatoren, "soweit sie nach Art einer Suchmaschine ihre Treffer generieren oder ihre Ergebnisse darstellen".

Jan Mönikes, Justiziar des Bundesverbands deutscher Pressesprecher, befürchtet, dass diese Formulierung auch Anbieter umfasst, die in anderer Weise als die eigentlichen News-Aggregatoren "in irgend einer Weise automatisiert kostenlos verbreitete und frei zugängliche Inhalte" auf ihren Seiten verarbeiten. Eingeschlossen seien etwa auch Zusammenstellungen von RSS-Feeds und Twittermeldungen, wenn der Blogbetreiber als "gewerblicher Anbieter" anzusehen sei. Der tatsächliche Geltungsbereich der Vorschrift könnte so in der Praxis uferlos werden.

Die Bundesregierung betont dagegen in ihren Erläuterungen, dass keine Dienste tangiert würden, die die verlegerische Leistung auf andere Weise als eine Suchmaschine nutzten. Als Beispiel führt sie einen Nutzer an, der "aufgrund eigener Wertung" eine Auswahl von Presseerzeugnissen anzeigt. Auch Suchfunktionen innerhalb des eigenen Datenbestandes würden vom Leistungsschutzrecht nicht betroffen. Es gelte auch nicht für Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, Verbände, Rechtsanwaltskanzleien, Blogger oder private beziehungsweise ehrenamtliche Nutzer. Das neue Schutzrecht ermögliche es ferner nicht, eine reine Verlinkung zu verbieten. Zudem gälten die gängigen Schranken des Urheberrechts, also vor allem die Zitierfreiheit.

Seinen Vorstoß will das Kabinett insgesamt nicht als gesetzgeberischen Schutz "alter, überholter Geschäftsmodelle" missverstanden wissen. Die Regierungsbank sieht darin "kein Korrektiv für Strukturveränderungen des Marktes", auf die Presseverleger vor allem mit neuen Angeboten reagieren müssten. Die Zeitungs- und Magazinherausgeber würden aber in die Lage versetzt, einfacher und umfassender gegen Rechtsverletzungen im Internet vorzugehen. Sie müssten bei Urheberrechtsverletzungen nun nicht mehr den komplexen Nachweis der Rechtekette vom Autor über den Verlag bis zum Publikationsmedium führen, sondern können unmittelbar vorgehen und insbesondere auch Unterlassungsansprüche geltend machen.

Die Regierung unterstreicht, dass der Entwurf keine zwingenden Vorgaben dazu enthalte, wie das Leistungsschutzrecht durchzusetzen sei. Insbesondere werde nicht geregelt, dass der neue Anspruch durch den Rechtsinhaber selbst zu lizenzieren sei oder dass Dritte wie etwa Verwertungsgesellschaften mit der Rechtewahrnehmung beauftragt werden könnten. Das zu erwartende Vergütungsaufkommen lasse sich nicht beziffern. Ein signifikanter Anstieg des Preisniveaus werde nicht erwartet.

Den Interessen der Urheber, also vor allem der Journalisten, werde die Initiative gerecht. Sie enthalte eine ausdrückliche Regelung, wonach das Leistungsschutzrecht des Verlegers nicht zum Nachteil der Autoren geltend gemacht werden könne. Ferner werde die angemessene Beteiligung des Urhebers an der Vergütung gewährleistet, die durch Lizenzen generiert werden könnten. Wenn ein Blog sich als eine redaktionell ausgewählte Sammlung journalistischer Beiträge darstellt, die fortlaufend unter einem Titel erscheint, werde auch dessen Autor durch das neue Leistungsschutzrecht geschützt und sei damit vergütungsberechtigt, wenn andere sein Online-Journal nutzten.

Der Beschluss, der nun vom Bundesrat und vom Bundestag debattiert werden muss, hat eine lange Vorgeschichte. Schwarz-Gelb sah eine entsprechende Bestimmung bereits im Herbst 2009 in der Koalitionsvereinbarung vor. Im März beteuerten die Regierungsfraktionen, einen entsprechenden Entwurf auftischen und auch News-Aggregatoren zur Kasse bitten zu wollen. Im Juni legte das Bundesjustizministerium dann einen ersten Referentenentwurf vor, der sehr weit gefasst war und sämtliche "gewerbliche Nutzer" von Presseerzeugnissen als zahlungspflichtig ins Spiel brachte. Nach heftigen Protesten von vielen Seiten präsentierte das Justizressort im Juli eine reine "Lex Google". Dieser Anlauf ging Verlegern und Rechtspolitikerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wiederum nicht weit genug, während er die übrigen Kritiker nicht zum Verstummen brachte. Google etwa bezeichnete den Ansatz als "absurd". (jk)