Microsoft Handlanger des US-Geheimdienstes?

Mehrere Veröffentlichungen wärmen dieses Wochenende den Verdacht auf, Microsoft helfe dem Geheimdienst NSA beim Spionieren.

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Von
  • Herbert Winkler
  • dpa

"Uncle Sam" liest systematisch im Internet vertrauliche Wirtschaftsinformationen mit, berichtet dieses Wochenende das Nachrichtenmagazin "Focus". Der Computer-Konzern Microsoft geht ihm dabei nach Mutmaßungen des französischen Verteidigungsministeriums zur Hand, will die linksliberale Pariser Tageszeitung "Liberation" wissen. Der Softwarerriese hat diesen Vorwurf dementiert. Doch er will nicht verstummen.

Als der Verdacht einer Kooperation erstmals im September laut wurde, ahnte ein Microsoft-Sicherheitsexperte schon: "Wir werden dafür noch und noch bezahlen müssen." Da hatte der Mathematiker und Programmierer Andrew Fernandes von der US-Firma Cryptonym Corporation in der Sicherheitssoftware von Windows einen bis dahin unbekannten Schlüssel mit der ominösen Bezeichnung "NSAkey" entdeckt und enthüllt. Er folgerte, es sei der Schlüssel des amerikanischen Geheimdienstes National Security Agency (NSA) zu jedem mit Windows arbeitenden PC.

Laut Microsoft stimmt das nicht. Es sei nur ein neues Backup für das Verschlüsselungssystem. Der Begriff "NSAkey" dokumentiere lediglich, dass die Software amerikanischen Export- und Sicherheitsvorschriften entspreche. Diese Vorschriften würden von der NSA überwacht. Also keine Schnüffelei und keine anrüchige Liaison mit den "Geheimen" -- aber eine unglückliche Namenswahl, die wohl "Konspirationstheoretiker" beflügeln werde.

"Liberation" gab nun die Vermutung weiter, dass NSA-Mitglieder in Entwicklungsteams von Microsoft direkt an der Quelle sitzen könnten. "Focus" berief sich auf eine vom Europaparlament in Auftrag gegebene Studie, einen ihrer Autoren, den Pariser Wissenschaftler Franck Leprevost, und die deutsche EU-Abgeordnete Ilka Schröder (Bündnis 90/Grüne). Leprevost befand: "Die US-Giganten Microsoft, Netscape und Lotus statten ihre Software für den Export schon so aus, dass sie dem US-Geheimdienst Zugriff auf E-Mails ermöglichen."

Die Nationale Sicherheitsbehörde (NSA) der USA in Fort Meade (Bundesstaat Maryland) steht seit langem unter dem Verdacht der Wirtschaftsspionage. Der Londoner Telegraph hatte vor mehr als zwei Jahren darüber berichtet. Im Januar 2000 gab es erstmals eine offizielle Bestätigung für die Existenz des globalen Lauschsystems. Die zentrale Abhör- und Entschlüsselungsbehörde der Supermacht hat etwa 20.000 Mitarbeiter, nach inoffiziellen Angaben einen Etat von acht Milliarden Dollar und verfügt über modernste Computer. Vertrauliches aus Handel und Industrie ist auch ein immer wichtiger werdender Arbeitsschwerpunkt der Central Intelligence Agency (CIA) und anderer Stellen. Die Betonung liegt aber offiziell auf der Abwehr von Industriespionage. US-Unternehmen verlieren dadurch nach Branchenberichten jährlich etwa 300 Milliarden Dollar.

Vor allem der Bereich der Hochtechnologie übt eine magische Anziehungskraft aus. Der Chef des deutschen Verfassungsschutzes, Peter Frisch, sprach Ende Oktober vor Unternehmern in Frankfurt jedoch davon, dass nicht nur östliche, sondern auch "westliche und befreundete Nachrichtendienste durch Konspiration Wirtschaftsinformationen sammeln".

In das Fadenkreuz der Kritiker in Deutschland geriet vor allem die NSA-Aufklärungsstation im bayerischen Bad Aibling. Sie gilt seit dem Zweiten Weltkrieg als einer der wichtigsten Stützpunkte der elektronischen Aufklärung der USA. Dass die Amerikaner von dort auch die deutsche Industrie ausspähen, verneinte im November der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Ernst Uhrlau, in einem dpa-Gespräch. Bei einem Besuch in Bad Aibling habe der Chef der Abhöranlage, US-General Michael Hayden, versichert, dass sich die elektronische Aufklärung weder "gegen deutsche Interessen richtet, noch gegen deutsche Gesetze verstößt". Hayden habe unterstrichen: "Wirtschaftsspionage gehört ausdrücklich nicht dazu." (Herbert Winkler, dpa)/ (cp)