Leibniz-Preise 2008 fördern vor allem die Informatikforschung

Mit dem angesehensten und höchstdotierten deutschen Wissenschaftspreis werden im Februar 2008 zur Hälfte Wissenschaftler ausgezeichnet, die für die Entwicklung der Informatik und Informationstechnik bedeutsame Beiträge geleistet haben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Angela Meyer

Die Hälfte der Forscher, die im kommenden Februar mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis die angesehenste und zugleich höchstdotierte Wissenschaftsauszeichnung in Deutschland feierlich verliehen bekommen, hat für die Informatik und Informationstechnik wichtige Beiträge erarbeitet. Der Leibniz-Preis ist Teil der Forschungsförderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Vergeben wird er nur auf Vorschlag an herausragende, nach Möglichkeit eher jüngere Wissenschaftler, die auch für die Zukunft bemerkenswerte Arbeiten erwarten lassen. Anders als sonst bei öffentlichen Förderungen üblich, können alle Ausgezeichneten ihre Fördersumme von in der Regel 2,5 Millionen Euro innerhalb eines Zeitraums von bis zu sieben Jahren nach eigenen Vorstellungen und ohne Antrag für ihre wissenschaftlichen Arbeiten einsetzen.

Die Preisträger und die Gründe der DFG für ihre Förderung in Kurzfassung:

Prof. Dr. Susanne Albers (42), Theoretische Informatik, Institut für Informatik der Universität Freiburg

Susanne Albers hat in der Informatik die Forschung zu effizienten Algorithmen über die letzten 15 Jahre maßgeblich mitgeprägt. In Deutschland gilt die Mathematikerin, Informatikerin und Betriebswirtschaftlerin als die Expertin, weltweit als eine der führenden Wissenschaftlerinnen auf diesem Feld. Ihr gelangen wesentliche Optimierungen bei Online- und Approximationsalgorithmen, die - anders als bei klassischen Algorithmen - für immer wieder neuen Input eine approximative Antwort berechnen müssen. Ihre Modelle sind ein fundamentaler Beitrag zur Grundlagenforschung und haben zugleich ein hohes Anwendungspotenzial. Ihre aktuellen Arbeiten zu energieeffizienten Algorithmen sind etwa in Laptops und Mobiltelefonen von großer Bedeutung.

Prof. Dr. Martin Beneke (41), Theoretische Teilchenphysik, Institut für Theoretische Physik der RWTH Aachen

Mit seinen Forschungen trägt der Physiker, Mathematiker und Philosoph Martin Beneke wesentlich dazu bei, dass die theoretischen Vorstellungen der Elementarteilchenphysik überprüft, Abweichungen davon aufgezeigt und neue Strukturen überhaupt erkannt werden können. Die von Beneke entwickelten, weltweit als einzigartig geltenden Methoden erlauben neue Einsichten in die Materie-Antimaterie-Asymmetrie und damit in das Verständnis des Mikrokosmos und der Entwicklung des frühen Universums.

Prof. Dr.-Ing. Holger Boche (40), Nachrichtentechnik und Informationstheorie, Institut für Telekommunikationssysteme der TU Berlin und Fraunhofer German-Sino Lab for Mobile Communications und Fraunhofer Institut Nachrichtentechnik (Heinrich-Hertz-Institut)

Der Ausbau der Mobilfunktechnik hat in den vergangenen Jahren durch den Mathematiker und Informatiker Holger Boche zahlreiche wichtige Impulse erhalten. Mit seinen theoretischen Arbeiten erweiterte Boche das Verständnis komplexer mobiler Kommunikationssysteme und setzte seine Erkenntnisse zugleich technisch für die Standardisierung neuer Mobilfunksysteme um. Mit seinen Forschungen zur schichtenübergreifenden Optimierung können mobile Netze wirkungsvoller und zuverlässiger arbeiten, sodass sich die vorhandenen Mobilfunk-Frequenzen mit möglichst wenig fest installierten Sendern und Empfängern flächendeckend nutzen lassen.

Prof. Dr. Martin Carrier (52), Philosophie, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Abteilung Philosophie der Universität Bielefeld

National wie international zählt Martin Carrier zu den vielseitigsten und innovativsten Wissenschaftsphilosophen der Gegenwart. Charakteristisch für den Physiker, Philosoph und Pädagogen ist die Verknüpfung philosophischer Durchdringung mit einem tiefen Verständnis der Naturwissenschaften und insbesondere der Physik. Seine so entstandenen Studien zu Raum-Zeit-Theorien in der physikalischen Geometrie oder zu Nikolaus Kopernikus sind damit für philosophische Fachkollegen wie für Naturwissenschaftler gleichermaßen an- und aufregend.

Dr. Elena Conti (40), Strukturbiologie, Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried, gemeinsam mit Dr. Elisa Izaurralde (48), Biochemie, Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen

Die beiden Molekularbiologinnen Elena Conti und Elisa Izaurralde haben gemeinsam grundlegende neue Erkenntnisse zum intrazellulären RNA-Transport und zum RNA-Metabolismus erzielt. Damit ermöglichten sie neue Einsichten in die hochkomplexe Regulation der Genexpression.

Prof. Dr. Holger Fleischer (42), Wirtschaftsrecht, Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn

Holger Fleischer führt in seinen wirtschaftsrechtlichen Arbeiten auf einmalige Weise Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung, Rechtsdogmatik und Ökonomische Theorie des Rechts zusammen und hat sich als Modernisierer der jüngeren deutschen Zivilrechtswissenschaft einen Namen gemacht.

Prof. Dr. Stefan W. Hell (44), Biophysik, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen

Stefan Hell hat mit der Entwicklung der STED-Mikroskopie die über ein Jahrhundert lang für unumstößlich gehaltenen Auflösungsgrenzen der besten Mikroskope überwunden. Der Physiker ging bei der bahnbrechenden Weiterentwicklung des Laserscan-Mikroskops davon aus, dass die Auflösung wesentlich verbessert werden kann, wenn die Fluoreszenzanregung in der Peripherie des Fokus ausgeschaltet werden kann, bevor die angeregten Farbstoffmoleküle Fluoreszenz abgeben. Dies lässt sich durch eine stimulierte Anregungslöschung (STED, Stimulated Emission Depletion) erreichen. Die Bedeutung dieser Erfindung für die moderne Biologie, aber auch etwa für die Halbleiterindustrie ist kaum zu überschätzen.

Prof. Dr. Klaus Kern (47), Physikalische Chemie von Festkörpern, Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart

Klaus Kern ist ein weltweit anerkannter Pionier der Nanowissenschaften. Der Physiker und Chemiker hat vor allem durch die Anwendung der Rastertunnelmikroskopie zahlreiche bahnbrechende Arbeiten zur Analyse und zum kontrollierten Aufbau funktionaler Oberflächenstrukturen auf atomarer Ebene geliefert. Seine Forschungen zur Bildung von Kupferoxid-Nanogittern wurden ebenso zu einem Meilenstein wie seine Methode zur Herstellung metallischer Nanostrukturen, die heute weltweit in zahlreichen Labors angewendet wird. Seine Erkenntnisse haben die Entwicklung und den Einsatz nanoskopischer Materialien entscheidend vorangetrieben, so etwa für die Datenspeicherung.

Prof. Dr. Wolfgang Lück (50), Algebraische Topologie, Mathematisches Institut der Universität Münster

Wolfgang Lück gilt als einer der weltweit anerkanntesten Vertreter der algebraischen Topologie, der ein äußerst breites Themenspektrum bearbeitet. Lück schrieb zum einen wegweisende programmatische Arbeiten, die dazu beitrugen, eine Hierarchie zwischen verschiedenen offenen Vermutungen herzustellen. Zugleich zeigt sich die besondere Stärke seines methodischen Vorgehens in der Lösung vieler ungeklärter Fragen wie der Erweiterung der klassischen L2-Theorie und die Lösung einer Vermutung innerhalb des Thurston-Programms über die L2-Betti-Zahlen.

Prof. Dr. Jochen Mannhart (47), Experimentelle Festkörperphysik, Institut für Physik der Universität Augsburg

Dem Experimentalphysiker Jochen Mannhart sind bereits mehrfach bahnbrechende Entdeckungen auf dem Gebiet funktionaler Grenzflächen in Oxiden gelungen, die unter anderem zur Optimierung von Korngrenzen in Hochtemperatursupraleitern beitrugen. Bei den von ihm konstruierten rein oxidischen Feldeffekt-Transistoren lässt sich die Ladungsträgerdichte von Grenzschichten besonders wirkungsvoll steuern. Das mit seiner Arbeitsgruppe entwickelte besonders kraftempfindliche Tieftemperatur-Rastersondenmikroskop erreicht eine Rekordauflösung von 77 pm und machte erstmals einzelne Atome mit subatomarer Auflösung darstellbar. Für die Beantwortung grundlegender Fragen zur Rolle der Elektronensysteme in Festkörpern sind Mannharts Arbeiten ebenso wegweisend wie für die Entwicklung der zukünftigen Elektronik, Optoelektronik und Spintronik. (anm)