Urteil: Blogger soll Leserkommentare vorab kontrollieren

Ein Urteil des Landgerichts Hamburg verpflichtet den Journalisten und Blogger Stefan Niggemeier de facto dazu, jeden Leserkommentar vorab zu prüfen.

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Von
  • Holger Bleich

Das Landgericht (LG) Hamburg hat eine einstweilige Verfügung gegen den Medienjournalisten Stefan Niggemeier bestätigt; eine schriftliche Entscheidungsbegründung liegt allerdings noch nicht vor. In der Verfügung wird Niggemeier untersagt, in seinem Blog die Äußerung eines Dritten zu verbreiten. Mit dem Urteil bestätigt die Pressekammer des LG Hamburg unter Vorsitz des Richters Andreas Buske ihre außergewöhnlich betreiberfeindliche Haltung bezüglich Meinungsäußerungen in Foren und Blogs.

Die unstrittig rechtswidrige Äußerung hatte ein Unbekannter am 12. August 2007 um 3.37 Uhr als Kommentar unter einen Blog-Beitrag gesetzt, Niggemeier hatte sie selbst entdeckt und bereits um 11.06 Uhr desselben Tages entfernt. Dies genügte dem in der Äußerung angegriffenen Unternehmen Callactive allerdings nicht: Es erwirkte eine einstweilige Verfügung, die es Niggemeier untersagt, die Äußerung auch nur eine weitere Sekunde zu veröffentlichen.

Dies kann der Blog-Betreiber aber nur realisieren, indem er alle Nutzerkommentare bereits vor Veröffentlichung kontrolliert und manuell freischaltet. Genau das soll er nach Meinung der Kammer künftig auch tun. Schließlich müsse er damit rechnen, dass ein Blog-Beitrag, der sich kritisch mit dem Geschäftsgebaren eines Unternehmens auseinandersetzt, rechtswidrige Leserkommentare provoziere. Bei harmlosen Beiträgen könne er ja gegebenenfalls auf eine Vorabprüfung verzichten.

Diese Unterscheidung hält der gestandene Journalist Niggemeier für "außerordentlich weltfremd", wie er nun in seinem Blog ausführt: "Erstens wird eine Abgrenzung, welches Thema so brisant ist, dass eine freie Kommentarfunktion sich verbietet, und welches nicht, in der Praxis kaum möglich sein. Und zweitens kann jemand, der zum Beispiel den Callactive-Geschäftsführer in meinem Blog beleidigen will, aber durch die Vorabkontrolle unter einem Eintrag zum Thema Callactive daran gehindert wird, einfach unter einem vermeintlich harmlosen Eintrag kommentieren."

Die sogenannte "Pressekammer" des LG Hamburg hat in anderen Fällen ähnlich entschieden. So verlangte sie auch vom Heise Zeitschriften Verlag als Betreiber der heise-online-Foren de facto, dass jeder Forenbeitrag vorab kontrolliert werden soll. Diese Entscheidung wurde aber vom Oberlandesgericht in nächster Instanz größtenteils wieder kassiert. Niggemeier wartet nun auf die schriftliche Urteilsbegründung, will aber auf jeden Fall Berufung beim Oberlandesgericht einlegen, sodass das Urteil vorerst nicht rechtskräftig wird. (hob)