Jugendschützer gegen Nazi-Videos auf YouTube oft machtlos

Das Telemediengesetz schreibt den Internet-Anbietern vor, Seiten mit volksverhetzender und verfassungswidriger Propaganda sofort vom Netz zu nehmen, wenn sie darauf hingewiesen werden. Aber das ist offensichtlich in vielen Fällen nur Theorie.

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Von
  • Benedikt von Imhoff
  • dpa

Die Gruppe selbst ist seit März 2005 verboten, die Mitglieder sind rechtskräftig verurteilt, die Texte indiziert. Dennoch kommt über das Internet-Videoportal YouTube jeder problemlos an Lieder der rechtsextremen Band Landser heran. Über den Suchbefehl "Landser" finden sich dort nicht weniger als 472 Filme, die meisten davon Musik-Videos. Viele sind mit Hitler-Fotos, Hakenkreuzen oder SS-Runen unterlegt. Und Texte wie "Wir werden mit Stolz das Hakenkreuz tragen" oder "Unser Vorbild ist die Waffen-SS" sind noch harmlos im Vergleich zu vielen anderen rassistischen, antisemitischen oder gewaltverherrlichenden Zeilen.

Die Landser-Lieder zeigen nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was in der weiten Internet-Welt zu finden ist: So führen in den Videos eingeblendete Hinweise unter anderem zu Internet-Seiten der in Deutschland verbotenen Rassisten-Vereinigung "Blood and Honour" ("Blut und Ehre"). Auch der Nazi-Propagandafilm "Jud Süß" war bis vor Kurzem über die Google-Tochter YouTube leicht zu bekommen. Jugendschutzexperten ist das seit Langem bekannt – und von Gesetzes wegen ist die Angelegenheit klar: Das Telemediengesetz schreibt den Anbietern vor, Seiten mit volksverhetzender und verfassungswidriger Propaganda sofort vom Netz zu nehmen, wenn sie darauf hingewiesen werden. Aber das ist offensichtlich nur Theorie. Der Zentralrat der Juden erwägt deshalb Strafanzeige gegen den US-Konzern.

Die Probleme kennt auch Thomas Günter, der Justiziar der staatlichen Einrichtung jugendschutz.net, die sich um jugendgefährdende Entwicklungen im Internet kümmert. Er hat YouTube schon häufiger auf rechtsextreme Videos aufmerksam gemacht. "Bei unserer letzten Überprüfung hatte der Betreiber erst ein Drittel der kritisierten Filme gelöscht", berichtet Günter. Ob dies eine Reaktion auf seine Beschwerde war, kann er aber nicht sagen: "Wir bekommen von YouTube kein Feedback." Ein weiteres Problem: In Deutschland gesperrte Seiten werden häufig kurze Zeit später von ausländischen Servern wieder hochgeladen. Der Justiz sind dadurch die Hände gebunden – die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden endet an der deutschen Grenze. Für Ermittlungen gegen Betreiber ausländischer Internet- Seiten ist die Polizei auf die Kooperation der dortigen Stellen angewiesen. "Schon wenn die Server in Dänemark stehen, haben wir keine Handhabe mehr", sagen Ermittler.

Der raschen Verbreitung durch das Internet stehen die Fahnder oft hilflos gegenüber – ihre Kapazitäten sind zu gering, um Millionen Seiten gründlich durchforsten zu können. Ein Kampf gegen Windmühlen also? So weit will Günter nicht gehen. "Man braucht aber einen langen Atem." Der Jugendschützer verlangt von den Anbietern, sicherzustellen, dass einmal gelöschte Filme nicht wieder hochgeladen werden können. Google arbeitet derzeit an einer entsprechenden Filtertechnik.

Bisher vertraut der Branchenführer auf die Kontrolle durch die Nutzer: Sie können volksverhetzende, pornografische oder gewaltverherrlichende Videos per Mausklick anzeigen. Auf der Seite befindet sich der englische Hinweis "Flag as inappropriate". Eine deutsche Version ("Als unangemessen markieren") gibt es nicht. Dazu sagt der Deutschland-Sprecher von Google, Kay Oberbeck: "YouTube ist ein amerikanisches Unternehmen. Aber wir arbeiten mit den staatlichen Behörden in Deutschland zusammen." So werde zum Beispiel die IP-Adresse der Nutzer auf Anfrage an die Polizei weitergegeben.

Dass dies bei weitem nicht ausreicht, stellen auch immer mehr Nutzer fest. So schreibt der User "AlJoKo21" in einem Diskussionsforum: "YouTube kümmert sich nicht ausgiebig um rechtes Propagandamaterial." Damit ist es nach Oberbecks Angaben bald vorbei – YouTube will nun alle Landser-Clips löschen. Geschehen war dies am heutigen Mittwochvormittag noch nicht. (Benedikt von Imhoff, dpa) / (jk)