Neue Überwachungsrechte für Österreichs Polizei beschlossen

Mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP hat der Nationalrat das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das Grenzkontrollgesetz und das Polizeikooperationsgesetz geändert. Noch wenige Stunden vor der Abstimmung wurde an den Vorlagen herumgebastelt.

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Mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP hat der österreichische Nationalrat am Donnerstagabend kurz vor Mitternacht das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das Grenzkontrollgesetz und das Polizeikooperationsgesetz geändert. Damit erhält die österreichische Polizei eine Fülle neuer Befugnisse. Für besonderen Unmut bei den Oppositionsparteien sorgte die umfassende Abänderung der seit Oktober bekannten Novelle wenige Stunden vor der Abstimmung.

Öffentlichkeit und Opposition waren nicht informiert, auch der zuständige Innenausschuss wurde nicht eingeschaltet. Daher stimmten auch die rechten Parteien FPÖ und BZÖ, die sonst eher für eine Erweiterung der Polizeibefugnisse eintreten, gegen die Neuerungen. Ebenso ablehnend votierten die Grünen sowie der über die SPÖ-Liste ins Parlament gewählte liberale Abgeordnete Alexander Zach.

Die Sicherheitsbehörden können nun ohne richterliche Genehmigung Telecom-Anbieter dazu zwingen, Standortdaten und die internationale Mobilfunkteilnehmerkennung (IMSI) eines Handys preiszugeben. Der Theorie nach ist das nur zulässig, wenn "eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht", eine unabhängige Überprüfung dieser Voraussetzung findet aber nicht statt. Tatsächlich werden die Behörden mit den erlangten Informationen technisch in die Lage versetzt, einen IMSI-Catcher zum Einsatz zu bringen. Ein solches Gerät ermöglicht das Aufzeichnen und Entschlüsseln von Telefonaten, die von den betroffenen Anschlüssen geführt werden.

Außerdem müssen Name und Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen herausgegeben werden. Der Provider-Verband ISPA hat in letzter Sekunde eine Einschränkung auf "konkrete Gefahrensituationen" und eine nachträgliche Information des Rechtsschutzbeauftragten, der dem Innenministerium beigeordnet ist, erwirkt. Doch auch hier gibt es vorab keine Kontrolle, ob die Voraussetzungen für das Auskunftsersuchen wirklich gegeben sind.

Ebenfalls eingeführt werden Meldepflichten, zwangsweise Vorführungen und "präventive Anhaltungen" für Personen, die gegen ein Betretungsverbot verstoßen haben oder im Zusammenhang mit einer bis zu zwei Jahre zurückliegenden Sportveranstaltung im In- oder Ausland "unter Anwendung von Gewalt einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit oder fremdes Eigentum begangen" haben. Diese neuen Bestimmungen sollen laut Regierung vor allem gegen Hooligans eingesetzt werden.

Sie müssen "zu einem bestimmten Zeitpunkt in unmittelbarem Zusammenhang mit einer bestimmten Sportgroßveranstaltung bei der Sicherheitsbehörde oder einem Polizeikommando persönlich" erscheinen und sich belehren lassen, "wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, [sie würden] im Zusammenhang mit dieser Sportgroßveranstaltung einen gefährlichen Angriff" setzen. Vorladungen zwecks Belehrung sind auch für Personen vorgesehen, die lediglich Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen begangen haben. Betroffene Personen können gegen die Maßnahmen zwar Rechtsmittel ergreifen, jedoch haben diese Rechtsmittel ausdrücklich keine aufschiebende Wirkung. Wer den Auflagen nicht nachkommt oder die Belehrung stört, hat mit Geldstrafen zu rechnen.

Auch eine in der Öffentlichkeit als "Sexualstraftäter-Datei" bekannte "Zentrale Analysedatei über mit beträchtlicher Strafe bedrohte Gewaltdelikte, insbesondere sexuell motivierte Straftaten" werden die Sicherheitsbehörden nach der neuen Rechtslage anlegen. "Es dürfen Informationen zu Tötungsdelikten, Sexualstraftaten unter Anwendung von Gewalt, Vermisstenfällen, wenn die Gesamtumstände auf ein Verbrechen hindeuten und zu verdächtigem Ansprechen von Personen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine mit sexuellem Motiv geplante mit Strafe bedrohte Handlung vorliegen, verarbeitet werden", sieht der neue § 58d SPG vor, "Darüber hinaus dürfen tat- und fallbezogene Daten inklusive Spuren, Beziehungsdaten und Hinweise, Objektdaten und andere sachbezogene Daten, etwa zu Waffen oder Kraftfahrzeugen sowie Verwaltungsdaten verarbeitet werden." Daten über Opfer dürfen 20 Jahre, solche über Verdächtige auch ohne Verurteilung 30 Jahre gespeichert werden.

Siehe dazu auch:

(Daniel AJ Sokolov) / (pmz)