Lob und Tadel für den so genannten "Bundes-CIO"

Verbände halten den "IT-Beauftragten der Bundesregierung" für ein Placebo-Konstrukt, während sich Ressorts wie das Auswärtige Amt über den Erhalt der IT-Eigenständigkeit freuen. Der Bitkom lobt bereits den Verlauf des 2. nationalen IT-Gipfels.

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Wirtschaftsvertretungen wie die IT-Branchenvereinigung Bitkom oder der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) haben das neue Konzept der Bundesregierung für eine bessere IT-Koordination kritisiert. "Der Bundes-CIO ist eine Lutschpastille", meint BVMW-Wirtschaftssenator Michael Müller. Der vom Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedete Kompromissvorschlag, eine dreiköpfige Steuergruppe unter dem Vorsitz eines "IT-Beauftragten der Bundesregierung" einzusetzen, sei "reine Placebo-Politik". Bitkom-Präsident August-Wilhelm Scheer zeigte sich ebenfalls "nicht glücklich" darüber, dass "ein Staatssekretär nebenamtlich" den IT-Chef geben soll. Die IT-Steuerung des Bundes sei eine "Fulltime-Aufgabe". Scheer sprach von einem "richtigen ersten Schritt", dem aber weitere möglichst schnell folgen müssten". Der Bitkom empfiehlt insbesondere, den IT-Beauftragten mit ressortübergreifenden Befugnissen auszustatten.

Den Beschluss des Kabinetts über den IT-Beauftragen will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am heutigen Montag auf dem 2. nationalen IT-Gipfel in Hannover offiziell vorstellen. Allgemeine Vorschusslorbeeren für den IT-Gipfel gab es bereits vom Bitkom, der, kaum hatte die Veranstaltung heute Vormittag begonnen, bereits von einem "erfolgreichen Verlauf" sprach: "Auf dem IT-Gipfel wird nicht nur geredet, sondern man packt konkrete Hightech-Projekte an und treibt sie voran", gab sich Scheer sicher. Zu den erfolgreichen Projekten zählen nach Ansicht des Bitkom ein Sicherheitspaket für den Mittelstand, die Einrichtung einer einheitlichen Behördenrufnummer 115, das Programm "IT 50Plus" zur Weiterbildung älterer Mitarbeiter. Hinzu kämen unter anderem das aus dem ehemaligen europäischen Suchmaschinenprojekt hervorgegangene Theseus zum Wissensmanagement im Internet und Initiativen zur Senkung des Energieverbrauchs. In diese beiden Vorhaben würden 280 Millionen Euro investiert, die zu gleichen Teilen aus öffentlichen und privaten Mitteln kämen.

Laut dem Beschluss der Bundesregierung zum so genannten "Bundes-CIO" soll jedes Ministerium einen eigenen neuen CIO (Chief Information Officer) bekommen. Die IT-Beauftragten der Ressorts sind nicht in jedem Fall verpflichtet, den Weg des Bundes-CIOs mitzugehen. In einem Ratsgremium sollen sich die Ressort-CIOs jedoch künftig treffen, um künftige IT-Strategien zu diskutieren und zu verabschieden. Besonders weit reichende und ressortübergreifende Entscheidungen soll die dreiköpfige Steuerungsgruppe treffen. Sie wird aus einem hochrangigen Vertreter des Kanzleramtes sowie zwei beamteten Staatssekretären des Bundesfinanz- und des Bundesinnenministeriums bestehen. Letzterer ist als Sprecher des Gremiums und somit nominell als IT-Beauftragter der Regierung vorgesehen. Von 2008 an wird diesen Posten zunächst Hans Bernhard Beus einnehmen, der Johannes Hahlen als Staatssekretär im Innenministerium ablöst.

Vorschusslorbeeren mag Müller vom BVMW Beus nicht erteilen. Der Politiker sei in den vergangenen Jahren für die E-Government-Initiative Bund Online 2005 verantwortlich und dabei "bemerkenswert erfolglos" gewesen: "Da sind fast nur Totgeburten herausgekommen." Generell glaubt der Mittelstandsvertreter aber angesichts der Befindlichkeiten der einzelnen Ressorts nicht an die Erfolgsaussichten eines Bundes-CIOs in der deutschen Politikrealität: "So viel Kompetenzen kann man dieser Position gar nicht verschaffen, um das IT-Management der Bundesverwaltung auf Vordermann zu bringen und die Abstimmungen mit den Ländern zu verbessern." Die notwendige Kooperation der Ministerien scheitert nach Ansicht von Müller am "Gezerre um Zuständigkeiten, Kompetenzgerangel oder schlichtweg an lethargischen Oberamtsräten".

Als "fragwürdig" bezeichnet Müller auch die Rolle von McKinsey als Haus- und Hofberater des Bundes. "Für schrecklich viel Geld saßen und sitzen die teuren Nadelstreifenjungs im Bundesinnenministerium, und jedes Bund-Online-Projekt hat einen eigenen McKinsey-Berater. Da sei es völlig unverständlich, dass es eine zweite Studie aus dem Consulting-Haus gebraucht habe, um die Installation eines Bundes-CIO vorzuschlagen. Die Berater hätten damit gleichsam "ihr eigenes Versagen" attestiert. Das Innenministerium hatte im ersten Halbjahr McKinsey und BearingPoint mit der Erstellung eines Gutachtens für die IT-Koordination des Bundes beauftragt, das seit Juli vorliegt. Es untersuchte unter anderem auch die bestehenden Steuerungsmodelle in Hessen und Rheinland-Pfalz und kostete den Steuerzahler knapp 500.000 Euro, wie das Innenministerium jüngst in ihrer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion erklärte.

SAP-Vorstandschef Henning Kagermann, der zu den Initiatoren des IT-Gipfels gehört, begrüßte derweil, dass der Bund prinzipiell IT-Entscheidungen besser absprechen wolle. Als "zwingende Voraussetzung" für den Erfolg des Konstrukts nannte er aber die Bedingung, "dass der Bundes-CIO technische Mindeststandards vorgibt, damit eine bessere Vernetzung zwischen den Bundesländern möglich wird". Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) befürwortete in diesem Zusammenhang, dass sich das von ihm geführte Ressort erfolgreich "für die Verwendung von Open-Source-Software und offenen Standards" eingesetzt habe. Diese seien als "integrale Bestandteile" in das Steuerungskonzept eingeflossen.

Zugleich freute sich Steinmeier, dass der Beschluss den Ministerien auch Eigenständigkeiten belässt: "Ich begrüße, dass das neue IT-Konzept dem Auswärtigen Amt die Möglichkeit eröffnet, an seine sehr guten Erfahrungen mit Open-Source-Software und offenen Standards anzuknüpfen und deren Einsatz weiter auszubauen." Das Außenministerium habe damit gute Erfahrungen gemacht. Der gewählte Ansatz helfe, Steuergelder sparsam zu verwenden, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen und Innovationen in Deutschland vor allem im Mittelstand zu fördern. Heute gebe das Auswärtige Amt pro Mitarbeiter weniger als ein Drittel der durchschnittlichen Kosten pro Beschäftigen für die IT-Ausstattung aller Bundesministerien aus.

Siehe zum zweiten IT-Gipfel der Bundesregierung auch:

Zum ersten IT-Gipfel siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)