T-Online darf nur für Rechnung nötige Verbindungsdaten speichern

Die IP-Adressen und das übertragene Datenvolumen darf die Telekom-Tochter bei Flatrate-Nutzern nicht speichern, entschied das Landgericht Darmstadt. Eine Revision in dem von Holger Voss angestrengten Verfahren ließ das Gericht nicht zu.

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Von
  • Monika Ermert

Die T-Online AG muss die IP-Adressen von Flatrate-Nutzern sofort nach Beendigung der jeweiligen Verbindung löschen. So urteilte am heutigen Mittwoch die 25. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt in der Berufungsverhandlung zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Klage des Flatrate-Nutzers Holger Voss (Az. 25 S 118/2005). Das bislang ebenfalls mitgespeicherte Volumen darf der Provider noch nicht einmal erheben, geschweige denn speichern. Die Kammer vertritt die Auffassung, dass diese Daten für eine Rechnungsstellung nicht erforderlich sind und deshalb deren Erhebung und Speicherung nach den Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes nicht zulässig ist. Die bislang über Voss erhobenen Daten müssen rückwirkend gelöscht werden. Für den Fall der Zuwiderhandlung droht T-Online ein Ordnungsgeld von 100.000 Euro oder 6 Monate Haft, vollstreckbar gegen den Vorstand.

Geklagt hatte Holger Voss, der Anfang 2003 wegen eines satirischen Beitrags in einem Forum des zum Heise Zeitschriften Verlag gehörenden Online-Magazins Telepolis angeklagt und freigesprochen worden war. In diesem Verfahren wurde ihm klar, dass T-Online die dem Kunden zugewiesenen IP-Adressen bis zu 80 Tage nach Rechnungslegung in Verbindung mit den Bestandsdaten speichert. Solange können Ermittlungsbehörden mit einem richterlichen Beschluss die Herausgabe dieser Daten erwirken.

Das Amtsgericht Darmstadt hatte in erster Instanz Anfang Juli 2005 entschieden (Az.: 300 C 397/04), dass die Speicherung von IP-Adressen bis 80 Tage nach Rechnungsstellung den Datenschutzbestimmungen widerspreche. Das Amtsgericht hielt es aber für vertretbar, wenn es mehrere Tage dauert, bis die Daten gelöscht werden. Auch störte sich Voss an der Entscheidung des Gerichts, dass T-Online speichern dürfe, wann und wie lange er ins Internet eingewählt war und welche Datenmengen er dabei empfangen und versendet hat.

Der Berufung von T-Online gegen die frühere Entscheidung gab das Gericht nicht statt. Allerdings darf das Unternehmen zu Rechnungszwecken die Daten über Beginn und Ende der Verbindung bis zu acht Wochen aufbewahren. Das rühre daher, erklärte die Vorsitzende Richterin Petra Schichor, dass die Flatrate "nicht völlig flat" sei. Denn laut den Vertragsbedingungen von T-Online werden dann Kosten fällig, wenn sich der Kunde statt über DSL über die im Vertrag ebenfalls vorgesehenen Möglichkeiten Analog-Modem, ISDN-Anschluss oder Mobiltelefon einwähle. Dann werde ein zeitabhängiges Entgelt berechnet.

Voss hatte demgegenüber argumentiert, dass trotzdem die bei der DSL-Einwahl anfallenden Daten nicht gespeichert werden müssten. In diesem Punkt gab die Kammer aber doch dem Unternehmen Recht. Voss, der zur Urteilsverkündung persönlich erschienen war, zeigte sich trotzdem zufrieden mit dem Urteil. Im Vergleich zur erstinstanzlichen Entscheidung sei der Zeitpunkt für die Löschung der IP-Adressen jetzt ganz konkret festgelegt worden. Das Amtsgericht hatte noch festgestellt, die IP-Adressen müssten dann sofort gelöscht werden, wenn sie für die Abrechnung nicht mehr notwendig seien, erklärte Voss.

Bemerkenswert am heutigen Urteil ist zudem, dass das Gericht keine Revision zugelassen hat, entsprechend dem relativ niedrig angesetzten Streitwert von 4000 Euro. Will T-Online nun noch einmal Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen, muss es vor dem Bundesgerichtshof den Streitwert anfechten, dann erreichen, dass die Revision zugelassen wird und dann diese auch noch gewinnen. Bei der Streitwertfrage dürfte das Unternehmen darauf hinweisen, was es im Prozess zu Protokoll gab: Eine spezielle Behandlung der Daten von Voss sei nicht möglich, vielmehr müsse man dann das gesamte Abrechnungssystem verändern.

Voss meinte auf die Frage nach weiteren rechtlichen Schritten, er werde die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Doch hat er auch in der Kostenentscheidung vom aktuellen Urteil profitiert: Das Amtsgericht hatte die Kosten noch je zur Hälfte beiden Parteien auferlegt. Das Landgericht entschied auf eine Aufteilung 25:75 zu Gunsten des Klägers. Obwohl er als Einzelkläger aufgetreten sei, habe er aber viel Unterstützung erfahren, sagte Voss. "Leute haben mir geschrieben, sie fänden das gut. Manche haben gefragt, ob sie mich finanziell unterstützen können. Andere haben Urteile geschickt."

Das erstrittene Urteil könnte dennoch bald Schnee von gestern sein. Sobald die Vorratsdatenspeicherung umgesetzt wird, könnte die Praxis von T-Online sogar verpflichtend werden. "Wir haben auf der Grundlage des geltenden Rechtes entschieden", meinte Schichor. Wie der Bundesgesetzgeber die Vorratsdatenspeicherung umsetze, bleibe abzuwarten. "Ich gehe erst einmal davon aus, dass die Vorratsdatenspeicherung nicht kommt", sagt Voss, "denn sie widerspricht dem Grundgesetz und kann daher hier gar nicht umgesetzt werden." Gegen die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung hatten sich Telekommunikations- und Internetservice-Provider massiv eingesetzt.

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(Monika Ermert) / (jk)