Wissenschaftler wehren sich gegen Homeland-Security-Bespitzelung

Weil ihr Privatleben im Rahmen einer Präsidenten-Direktive bis ins letzte Detail ausgeforscht werden soll, ziehen Mitarbeiter des kalifornischen Jet Propulsion Laboratory jetzt vor Gericht.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Wer in den USA in der heutigen Zeit einen Job bei einer staatlichen Behörde oder Forschungseinrichtung annimmt, gibt sein Recht auf Privatsphäre nahezu komplett auf: Seit dem Jahr 2004 ist eine Direktive des US-Präsidenten in Kraft, die vorschreibt, dass jede Einrichtung mit potenziell sicherheitskritischen Aufgaben jeden einzelnen Mitarbeiter – ob Putzfrau, Sachbearbeiter, Landschaftsgärtner oder Bauarbeiter – genau überprüft und ein ID-Karten-basiertes Zugangs- und Kontrollsystem nach Regierungsvorgaben installiert. Die sogenannte Homeland Security Presidential Directive 12 (HSPD-12) gilt nicht nur für Mitarbeiter von Behörden, die "Ziel eines terroristischen Angriffs" sein könnten, sondern auch für Unternehmen oder wissenschaftliche Einrichtungen, die einer Behörde zuarbeiten.

Eine solche wissenschaftliche Einrichtung ist das Jet Propulsion Laboratory (JPL) mit Sitz in Pasadena (Kalifornien). Das JPL baut und steuert unter anderem Satelliten und Raumsonden für die US-Raumfahrtagentur NASA und gehört zum California Institute of Technology (Caltech), einer auf Natur- und Ingenieurswissenschaften spezialisierten Hochschule. Über das auf drei Kontinente (USA, Spanien, Australien) verteilte Deep Space Network des JPL werden zahlreiche Raum- und Marsmissionen gesteuert, darunter die Mars-Roboter Spirit und Opportunity, der Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) oder auch das Spitzer-Weltraumteleskop. Eine Stelle als Ingenieur oder Wissenschaftler beim Jet Propulsion Laboratory zu bekommen, gilt als Auszeichnung. Doch derzeit hängt der Haussegen schief.

Denn bei JPL soll jetzt die Präsidenten-Direktive HSPD-12 umgesetzt werden. Außer der Abgabe von Fingerabdrücken, die im Rahmen der Einführung eines biometrischen Zugangs- und Kontrollsystems auf RFID-Chipkarten gespeichert werden sollen, müssen die Mitarbeiter bis zum 28. September Schriftstücke unterzeichnen, mit denen sie Ermittlungsbeamten Freibriefe zum Schnüffeln bis in die letzte Ecke des Privatlebens ausstellen. Von den Mitarbeitern zu benennende Freunde und Bekannte würden dann etwa befragt, wann der Überprüfte zuletzt Sex hatte, welche Form er dabei bevorzuge, ob er sich Geld leihe, wie man seine psychische Verfassung beurteile. Wer sich dem "National Check with Inquiries" verweigert, erhält zum 27. Oktober die Kündigung – die dann als "freiwilliges Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis mit Caltech" umschrieben wird.

Vor diesem Hintergrund reichen am heutigen Donnerstag insgesamt 28 teilweise hochrangige JPL-Wissenschaftler im Namen ihrer mehr als 5.000 Kollegen Klage beim United States District Court for the Central District of California gegen die NASA, das Handelsministerium sowie Caltech ein. Das Gericht wird aufgefordert, eine einstweilige Verfügung zu erlassen, damit die Umsetzung der erzwungenen Schnüffel-Freigabe gestoppt wird. "Was sich hier abspielt, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Bush-Regierung die Verfassung der Vereinigten Staaten mit Füßen tritt", erklärt Anwältin Virginia Keeny. "Über eine widerrechtliche Anordnung erhalten Fremde die Erlaubnis, nahezu unbegrenzt die Privatsphären von tausenden Menschen auszuforschen." Dabei sei das JPL nicht einmal eine staatliche Einrichtung und 97 Prozent der dort Beschäftigten hätten keinen Zugriff auf geheime Informationen.

Anhand des von den Angestellten auszufüllenden Formulars SF85 will man beispielsweise überprüfen, ob eine Person für die Besetzung einer Stelle in einer staatlichen Behörde geeignet ist. Dafür sollen unter anderem drei Menschen benannt werden, die die Person seit mindestens fünf Jahren kennen. Außerdem soll für jede Adresse, unter der die Person in den letzten drei Jahren gemeldet war, ein zusätzlicher Leumund angegeben werden – alles "freiwillig" selbstverständlich. Wer sich für einen Job mit Geheimhaltungsverpflichtung bewirbt, oder einen solchen bei JPL schon hat, muss im Formular 85P seine finanziellen Verhältnisse offenlegen, sämtliche Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, und die Zustimmung geben, dass staatliche Behörden in allen jemals zu dieser Person angelegten Akten und Datensätzen schnüffeln dürfen. (pmz)