VDSL-Vectoring: Telekom erwägt neue Breitbandtechnik im Festnetz

G.vector ermöglicht VDSL2-Geschwindigkeiten von 100 Mbit/s über mehr als 500 Meter - eine kostengünstige, kurz- und mittelfristige Alternative zum Glasfaserausbau. Der Einsatz setzt allerdings eine Änderung der Regulierungspolitik voraus.

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Von
  • Richard Sietmann

Vor einigen Tagen empfahlen Analysten von J.P. Morgan der Deutschen Telekom, statt des teuren Glasfaserausbaus als Alternativtechnologie lieber VDSL in Verbindung mit dem sogenannten Vectoring voranzutreiben. Das Unternehmen könnte so auf den vorhandenen Kupferanschlussleitungen den Kunden nahezu flächendeckend hochbitratiges VDSL anbieten und seine Position auf dem Breitbandmarkt gegenüber den Kabelnetzbetreibern stärken, dies aber zu einem Bruchteil der auf etwa 40 Milliarden Euro geschätzten Kosten für ein Fiber-to-the-Home-Netz (FTTH). Den Preis für das Upgrade des Kupfernetzes bezifferten die J.P. Morgan-Analysten demgegenüber auf 5 bis 6 Milliarden Euro.

Heute bestätigte Vorstandsmitglied Niek Jan van Damme, dass die Deutsche Telekom diese Alternative in Erwägung zieht. "Das Vectoring ist absolut eine interessante Technologie", erklärte er auf der Pressekonferenz des Unternehmens am Vortag der IFA-Eröffnung. "Wir überprüfen im Moment die Möglichkeiten, die es gibt."

Die Telekom habe im letzten Jahr 160.000 Haushalte mit der Glasfaser erschlossen, erläuterte der Sprecher der Geschäftsführung von Telekom Deutschland; in diesem Jahr sollen weitere 170.000 hinzukommen. "Ich glaube grundsätzlich daran, dass letztendlich nur FTTH die Lösung sein wird", bekräftigte van Damme. "Irgendwann wird man Glasfaser brauchen – und nicht nur in Ballungsgebieten oder Städten, sondern auch im ländlichen Raum." Aber der Weg dahin sei ein lang. "Da brauchen wir, glaube ich, 20 bis 30 Jahre, bis wir ganz Deutschland versorgt haben." Wo der Glasfaserausbau wirtschaftlich vertretbar sei, werde er erfolgen, fügte er hinzu. "Parallel schauen wir uns natürlich Alternativen an."

Das von der ITU-T als G.993.5 alias G.vector vor zwei Jahren standardisierte Verfahren nutzt dank schneller digitaler Signalverarbeitung die durch das Übersprechen auf benachbarten Leitungen im Kabelbündel übermittelten Signalanteile aus, die bisher immer als Verluste bzw. Störung angesehen wurden. Die Gesamtheit der Kupferdoppeladern im Kabelbündel werden dabei zu einem von den Teilnehmern gemeinsam genutzten Medium. Auf diese Weise ermöglicht G.vector VDSL2-Geschwindigkeiten von 100 Mbit/s über Entfernungen von mehr als 500 Metern. Weil in Deutschland Verzweigungskabel typischerweise 100 Kupferdoppeladern enthalten und 90 % aller Verzweigungsleitungen eine Länge von weniger als 500 m haben, ließe sich mit dieser Technik, die in Belgien, England und Österreich bereits getestet wird, nahezu eine hochbitratige Flächendeckung im Festnetz erreichen.

Der Haken dabei ist allerdings, dass immer nur ein Netzbetreiber das VDSL-Vectoring in einem Leitungsbündel einsetzen kann und das Entbündeln der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) am Kabelverzweiger nicht mehr möglich wäre. Weil dann Wettbewerbern der Endkundenzugang über den Zugriff auf die einzelne TAL verwehrt bliebe, steht das Telekommunikationsrecht dem Einsatz der Technik bislang im Wege. Die Deutsche Telekom müsste erst aus der Verpflichtung entlassen werden, den Konkurrenten am Kabelverzweiger die einzelne TAL entbündelt zur Verfügung zu stellen. Van Damme hofft aber auf die Aufgeschlossenheit der Politik, "sonst funktioniert Vectoring nicht". Man wolle nun mit der Bundesnetzagentur ins Gespräch kommen, "um zu sehen, welche Möglichkeiten es da gibt". (jk)