Höher, weiter, mächtiger

Der Wettstreit um den Bau des höchsten Gebäudes der Welt ist eine Machtdemonstration. Die längste Brücke der Welt zu bauen hat eine viel schönere Konnotation.

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Von
  • Julia Tahedl

Der Wettstreit um den Bau des höchsten Gebäudes der Welt ist eine Machtdemonstration. Die längste Brücke der Welt zu bauen hat eine viel schönere Konnotation.

Auf der Erde gibt es vier Brücken, die mehr als 100 Kilometer lang sind. Sie alle stehen in China und führen als Teile der Schnellfahrstrecke Peking–Shanghai über Land. Seit Juni 2011 ist auch die längste Meeresbrücke der Welt ein Werk der Chinesen. Die Qingdao-Haiwan-Brücke ist 42 Kilometer lang und überspannt das Gelbe Meer.

Vielleicht ist es Zufall, dass alle diese Bauwerke ihren Platz im aufstrebenden Land des Lächelns gefunden haben. Brücken ermöglichen es Menschen, aus eigener Kraft unüberwindbare Hindernisse leichten und trockenen Fußes hinter sich zu lassen. Durch Brücken können wir direkte Verkehrsverbindungen zwischen Städten herstellen, das Reisen vereinfachen und beschleunigen. Brücken schlagen Brücken, philosophisch betrachtet.

Nun hört aber der Größenwahn nicht beim Infrastruktur-Bau auf. Der Wettstreit um das höchste Gebäude der Welt ist altbekannt. Mit dem ersten Wolkenkratzer der Welt, dem Home Insurance Building in Chicago, führten die USA ab 1885 die Liste an. Mit weiteren Bauten behaupteten sie ihren ersten Platz 113 Jahre lang, bis 1998 in Kuala Lumpur die Petronas Towers eröffnet wurden. Offizielle Höhe: 452 Meter. Damit verschob sich der Weltrekord im Häuslebauen von Amerika nach Asien und bleibt dort auch bis heute. Wolkenkratzer haben Symbolcharakter, sie fallen auf, schinden Eindruck, sind Zeichen der Macht. Es ist bezeichnend, dass die USA schon seit längerem nicht mehr oben mitspielen. Der Ferne und der Nahe Osten wechseln sich beim weltweiten Hochbau-Wettbewerb regelmäßig ab. Gerade hat der Burj Khalifa in Dubai eine neue Rekordmarke gesetzt (828 Meter), schon wollen die Chinesen wieder einen draufsetzen. Gerade einmal um 10 Meter soll das angekündigte Bauwerk namens „Sky City“ seinen Rivalen überragen, aber das möglicherweise schon Anfang des nächsten Jahres. Und Aserbaidschan macht sich auch schon bereit für den Spurt an die Spitze: Es plant ein Gebäude von mehr als einem Kilometer Höhe.

Das lässt sich beim besten Willen auch von den Chinesen so schnell nicht übertreffen. Die haben sich nun bei allem Größenwahn wenigstens ein paar andere Gedanken gemacht, um mit ihrem 838-Meter-Hochhaus aus der Masse herauszustechen. So verspricht es, besonders ökologisch und energieeffizient zu sein. Gut, das hatten wir schon. Und dass man in solchen obskuren Dimensionen noch von umweltfreundlichem Bauen sprechen kann, wage ich zu bezweifeln. Was allerdings tatsächlich noch nie dagewesen ist: Das Ungetüm soll in sage und schreibe 90 Tagen fertig gestellt werden. Das macht die Welt vielleicht nicht besser – aber China mal wieder zum Gewinner in einer neuen Kategorie.

Mir gefällt da der Wettstreit um die längste Brücke eindeutig besser, nicht zuletzt wegen der schon erwähnten philosophischen Metapher. Aber auch da bewegen sich die Planer längst in illusorischen, übereifrigen Sphären. Ich will es nicht unmöglich nennen, die Straße von Messina oder die Behringstraße zu überbrücken. Nur ist das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht spruchreif. Aber bis dahin könnten sich gerade Länder wie Dubai statt um schwindelerregende Projekte einfach mal um eine bodenständige Infrastruktur bemühen – im kleineren Maßstab. (jlu)