Medienwoche: Berliner Senat sieht geplantes Leistungsschutzrecht kritisch

Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz und der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhling, halten den Gesetzentwurf der Bundesregierung für einen besseren Schutz von Presseverlegern im Internet für fehlgeleitet.

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Berlins Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz hält den Gesetzentwurf der Bundesregierung für einen besseren Schutz von Presseverlegern im Internet für fehlgeleitet. Er sei "keine Antwort auf die brennende Frage, wie wir künftig Qualitätsjournalismus finanzieren sollen", erklärte die parteilose, für die CDU im Senat sitzende Politikerin auf der Medienwoche Berlin-Brandenburg am Rande der IFA. Der Entwurf müsse daher zumindest umfassend verändert werden, da er zu viele vage Definitionen enthalte.

Es würde "mehr Rechtsunsicherheit als Sicherheit" geschaffen, meinte der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning. Vor allem bei Snippets, von Suchmaschinen dargestellte Überschriften und Textanreisser von Nachrichtenmeldungen, befürchte er "große Kollateralschäden". Der SPD-Politiker schlug stattdessen vor, die rechtlichen Möglichkeiten von Verlagen im Netz anderweitig zu stärken. Die Bundesregierung verspiele Zeit, anstatt das Urheberrecht zu refomieren; so sei ein echter Entwurf für den vielfach angekündigten 3. Korb mit Bestimmungen etwa für Wissenschaft und Bildung überfällig.

Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer für die öffentlichen Beziehungen von Axel Springer, lobte den Gesetzentwurf dagegen als "intelligente und mildeste Lösung". Da Inhalte von Zeitungs- und Zeitschriftenherausgebern vielfach geschäftsmäßig kopiert und an anderer Stelle vermarktet würden, stünde sonst nur der Abschluss von "Total Buy-out"-Verträgen mit freien Autoren zur Debatte. Solche gebe es bei Axel Springer "derzeit mit Ausnahme einzelner Werkschöpfer" wie vor allem Fotografen. Die Verleger könnten "sonst nicht gegen jemand vorgehen, der gewerblich kopiert".

In dem Plan der Regierung, die eigentlichen Urheber an möglichen Lizenzeinnahmen angemessen zu beteiligen, sieht Keese keine Schlupflöcher. Was reinkomme, werde aufgeteilt. Dafür sorgten schon die Mediengewerkschaften DJV und ver.di. Der Gesetzgeber müsse die Tarifautonomie berücksichtigen, daher könne er keine genauen Prozentangaben vorgeben. Um die Presseangeboten im Internet vielfältig zu erhalten, empfahl er, das Modell der Grossisten auf die digitale Welt zu übertragen. Die Handelseinheit zwischen Verlag und Einzelhändler garantiere, dass alle Publikationen zu gleichen Bedingungen vertrieben würden.

Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), glaubt hingegen, dass das Modell Presse-Grosso nicht direkt aufs Netz übertragen werden könne, da dort der Wettbewerb unterschiedlicher Plattformen größer sei als in der klassischen Medienwelt. Das wichtigste sei die breite Auswahl. Für Radio etwa gebe es ausreichende Portale, zudem könne jeder Sender selbst seine eigene App programmieren. Es müsse aber sichergestellt werden, "dass jeder Inhalteanbieter zum Endkunden kommen kann". Bei der Rundfunkregulierung andererseits könne in der vernetzten Medienwelt viel abgebaut werden. So sei etwa die Lizenzierung zu vereinfachen.

Jan Kottmann, Leiter Medienpolitik bei Google Deutschland, sieht mit dem Leistungsschutzrecht das Ende für neue, Inhalte erfassende Geschäftsmodelle kommen. Claus Grewenig, Geschäftsführer des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) befürchtet, dass mit der hitzigen Debatte über das Leistungsschutzrecht für die Presse auch die Pendants für andere Bereiche wie die Hersteller von Tonträgern oder die Filmproduzenten ins Zwielicht geraten könnten. Die Idee des Leistungsschutzrechts signalisiere aber: Wenn jemand Drittes mit einer fremden Leistung Geschäfte mache, müsse es dafür eine vertragliche Einigung geben. Mit dem Schutz bestehender Business-Modelle habe dies nicht zu tun.

Hege regte eine Denkfabrik für die Netzpolitik an, die aus dem Topf der Rundfunkgebühren bezahlt werden könne. Mit der Anfang nächsten Jahres anstehenden Umstellung auf eine Haushaltsabgabe dürften sich seiner Ansicht nach noch mehr Bürger fragen, wofür der milliardenschwere Gebührentopf eigentlich verwendet werde. Es sei daher richtig, über die Finanzierung von Inhalten, Netzinfrastrukturen und öffentlichen Aufgaben im Rahmen eines "Think Tanks" nachzudenken. (anw)