Right To Fork: Wikimedia verklagt Wikitravel-Betreiber

Weil der Eigentümer der Marke Wikitravel die Community vom Wechsel unter das Dach der Wikimedia Foundation abhalten will, hat die US-Stiftung das Unternehmen Internet Brands verklagt.

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Von
  • Torsten Kleinz

Weil der Eigentümer der Marke Wikitravel die Community vom Wechsel unter das Dach der Wikimedia Foundation abhalten will, hat die US-Stiftung das Unternehmen Internet Brands verklagt. Damit reagierte die Stiftung, die unter anderem die Online-Enzyklopädie Wikipedia betreibt, auf Klagen gegen Mitglieder der WikiTravel-Community.

Wikitravel war 2003 als kollaborative Plattform für Reiseempfehlungen auf Basis eines Wikis gegründet worden. Seither haben die unbezahlten Autoren in 21 Sprachversionen mehr als 60.000 Artikel über Reiseziele angelegt, allein die englische Version enthält über 25.000 Artikel.Über Werbeeinblendungen generiert der Betreiber Internet Brands Einnahmen. In der Wikitravel-Community gärt es schon längere Zeit. Bereits 2006 hatte sich ein Teil der deutschsprachigen Community abgespalten, und das Alternativprojekt Wikivoyage ins Leben gerufen. Wegen zunehmender Konflikte über Ausrichtung und Pflege des Projektes planen Wikitravel-Autoren seit mehreren Monaten einen Wechsel zur nicht-kommerziellen Wikimedia Foundation, wo sie – eventuell gemeinsam mit Wikivoyage – einen neuen Reiseführer schaffen wollen. Die Inhalte von WikiTravel, die unter einer Creative-Commons-Lizenz stehen, wollen sie dabei mit in das neue Projekt kopieren.

Wie die Wikimedia Foundation berichtet, hat Internet Brands wegen dieser Gespräche Ende August zwei WikiTravel-Autoren in Los Angeles verklagt und legt diesen geschäftsschädigendes Verhalten zur Last. "Internet Brands scheint zu versuchen, die Schaffung einen neuen nicht-kommerziellen Wikis zu verhindern, um seine eigene profitorientierte Seite zu schützen", erklärte Wikimedia-Justiziarin Kelly Kay in einem Blogbeitrag.

Obwohl Wikimedia selbst nicht verklagt wurde, will die US-Stiftung mit der Gegenklage erreichen, dass die Verhandlungen über einen Wechsel der Wikitravel-Community weitergehen können. Gleichzeitig soll das Gericht feststellen, dass Internet Brands keinerlei Rechte an den frei lizenzierten Inhalten hat und somit eine Abspaltung und das Übernehmen der vorhandenen Artikel nicht verhindern kann. Ein von Internet Brands vorgeschlagenes Gemeinschaftsunternehmen lehnt Wikimedia ab.

Noch hat der Vorstand der Wikimedia Foundation nicht offiziell über die Aufnahme des Reiseführers entscheiden. Die Wikipedia hat bereits eine Reihe Schwesterprojekte, die allerdings mit Ausnahme des Multimedia-Repositories Wikimedia Commons den Erfolg der Online-Enzyklopädie nicht wiederholen konnten. Wikipedia könnte allerdings einen Schwung neuer engagierter Autoren gebrauchen: Denn nicht nur die Anzahl der Autoren nimmt ab, die englische Wikipedia muss zudem mit einer rapide sinkenden Zahl von Administratoren klarkommen, die Aufgaben von der Spambekämpfung bis zum Lösen von Konflikten in der Community übernehmen.

[Update 07.09.2012 8:15]:

Der Stiftungsrat der Wikimedia Foundation hat mittlerweile den Start des neuen Reiseführer-Projekts offiziell bestätigt. "Die Klage von Internet Brands wird die Foundation nicht einschüchtern oder den Prozess stoppen", schreibt Stiftungsrat-Mitglied Alice Wiegand. Wenn die Community die notwendigen Vorbereitungen getroffen habe, werde die Stiftung die technischen Voraussetzungen zum Start des neuen Projekts schaffen.

[Update 07.09.2012 10:05]:

Internet Brands hat unterdessen gegenüber heise online die Vorwürfe zurückgewiesen und macht die Wikimedia Foundation für die Eskalation des Konflikts verantwortlich. "Wir haben kein Problem damit, dass Wikimedia eine neue Reise-Website startet – aber wir verlangen, dass die Stiftung unsere Urheber- und Markenrechte beachtet und die Gesetze gegen Unlauteren Wettbewerb." Das Unternehmen habe 1,7 Millionen Dollar für Wikitravel bezahlt und fortlaufend in die Weiterentwicklung investiert. In der Klage gegen einen langjährigen Administrator geht es vorrangig darum, dass dieser in einer E-Mail die Mitglieder der Wikitravel-Community angeschrieben habe, um sie über den bevorstehenden Wechsel zu informieren. Damit habe er den Eindruck erweckt, im Namen von Wikitravel zu sprechen, was er nicht tue. Gleichzeitig wirft Internet Brands den abtrünnigen Administratoren und der Wikimedia Foundation vor, eine Eins-zu-Eins-Kopie von Wikitravel vorzubereiten. Starke Ähnlichkeiten sind zumindest vorprogrammiert – Wikitravel basiert auf der von der Wikimedia Foundation entwickelten Plattform MediaWiki und die Inhalte sind unter Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 lizenziert. (jk)