Roboterbein mit Gedankenkontrolle

Eine neuartige robotische Prothese, die vollständig durch Gehirnwellen kontrolliert wird, könnte Menschen mit Verletzungen des Rückenmarks neue Hoffnung geben.

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  • TR Online

Eine neuartige robotische Prothese, die vollständig durch Gehirnwellen kontrolliert wird, könnte Menschen mit Rückenmarksverletzungen neue Hoffnung geben.

Die gerade zu Ende gegangenen Paralympics in London haben einmal mehr gezeigt, welche außerordentlichen Fortschritte es mittlerweile im Bereich der modernen Prothesentechnik gibt. Forscher um An Do vom Long Beach Veterans Medical Center in Kalifornien haben nun robotische Gliedmaßen für die unteren Extremitäten entwickelt, die sich in Echtzeit durch Gehirnwellen steuern lassen. Dabei wird die elektrische Aktivität des Denkapparats mit Hilfe der Elektroenzephalografie (EEG) über ein Sensoren-Headset erfasst. Die Signale gelangen an einen Steuerrechner, der sie auswertet und an Stellmotoren in der Prothese weiterleitet.

Das kalifornische Team arbeitet schon seit längerem an der Technik. In früheren Studien haben sie eine Möglichkeit gezeigt, wie sich aus EEG-Daten die Laufbewegung eines Avatars in einer virtuellen Umgebung kontrollieren lässt. Das System funktioniert dabei genauso gut bei Menschen, die gesund sind, wie bei Personen mit Rückenmarksverletzungen, die nicht mehr laufen können.

Der logische nächste Schritt war nun, dieses "Mind-Computer-Interface" an einem Roboterbein zu testen. Dazu wurde das System zunächst einer gesunden Versuchsperson umgeschnallt, die es innerhalb von nur zehn Minuten weitgehend problemlos verwenden konnte – ein deutlicher Fortschritt gegenüber der virtuellen Avatar-Version, die bis zu fünf Stunden Training voraussetzte.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei ein verbesserter Fehlsignal-Filter: Unerwünschte Schritte der Prothese könnten eine große Gefahr für den Träger darstellen, weil sie Unfälle provozieren. Do und sein Team sagen, dass sie die Fehlerrate auf nahezu 0 Prozent drücken konnten. "Am Ende des Experiments arbeitete die Technik bei der Versuchsperson ohne jedes Problem."

Das ist eine signifikante Entwicklung. Sollte die Technik wirklich so gut arbeiten, wie die Forscher versprechen, könnte sie Menschen mit Lähmungen, die aus Rückenmarksverletzungen herrühren, endlich wieder das Laufen ermöglichen. Der Rollstuhl wäre Vergangenheit – und mit ihm potenziell auch Nebenerkrankungen im Bereich des Stoffwechsels oder des Herzens, weil der Körper in Bewegung gerät. Bis es so weit ist, müssen allerdings noch einige Probleme gelöst werden. Als Nächstes stehen erste Tests mit Personen an, die tatsächlich gelähmt sind. Danach folgt eine Miniaturisierung – sowohl Rechentechnik als auch Sensoren müssen kompakt genug sein, damit sie bequem im Dauereinsatz getragen werden können.

Eines Tages könnten solche Systeme sogar zu Debatten bei den Paralympics führen, hoffen An Do und sein Team. Oscar Pretorious, der berühmte "Blade Runner", beschwerte sich bei einem der Rennen in diesem Jahr, dass er von einem Konkurrenten geschlagen wurde, dessen neuartige Prothesen ihm einen "unfairen Vorteil" in Sachen Sprung- und Schrittlänge gegeben hätten. Auch bei den Gedankensteuerungen dürfte in einigen Jahren derjenige gewinnen, dessen System besonders schnell reagiert. ()