EU-Parlament beschließt neue Normungsregeln

Laut der Neufassung der europäischen Normungsverordnung können künftig auch Spezifikationen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien als internationale Standards anerkannt werden.

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Das europäische Normungswesen soll mit einiger Verspätung offiziell im Internetzeitalter ankommen. Denn das EU-Parlament hat am Dienstag mit großer Mehrheit Änderungen an einem Entwurf der EU-Kommission für eine Novellierung der europäischen Normungsverordnung und zugehöriger Richtlinien beschlossen. Laut der Neufassung können künftig unter gewissen Bedingungen auch Spezifikationen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die nicht von Normungsorganisationen wie dem DIN (Deutsches Institut für Normung), der ISO (Internationale Organisation für Normung) oder dem ETSI (Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen) stammen, als internationale Standards gleichrangig anerkannt werden.

Der Bericht der konservativen italienischen Abgeordneten Lara Comi wurde mit 639 zu 18 Stimmen bei 17 Enthaltungen angenommenen. Darin heißt es nun, die Kommission könne nach Konsultation der europäischen Normungsorganisationen und einschlägiger Interessensträger entscheiden, auf entsprechende Spezifikationen Bezug zu nehmen Derlei Standards dürfen dann auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe von Behörden verwendet werden. Voraussetzung ist, dass die Spezifikationen "auf der Grundlage von Zusammenarbeit und Konsens" erarbeitet wurden und keine bestimmte Interessengruppe bevorzugen.

Die Regeln erkennen an, dass neben den nationalen, europäischen und internationalen Normungsorganisationen auch Foren und Vereinigungen technische Spezifikationen ausarbeiten. Gemeint sind etwa Standards oder Webformate wie HTML, die von internationalen Einrichtungen wie der IETF (Internet Engineering Task Force) oder dem W3C (World Wide Web Consortium) verabschiedet werden. Solche Spezifikationen sind dem Bericht zufolge "in Situationen hilfreich, für die keine Normen vorliegen". Insbesondere aufgrund der internationalen Dimension solcher Konsortien öffneten sich auf diesem Weg Märkte außerhalb der EU. Zudem würden technische Handelshemmnisse in Grenzen gehalten. Europa sollte daher die Kontakte zwischen den Normungsorganisationen und solchen Foren fördern. Dabei sei allerdings darauf zu achten ist, "dass kein konkurrierendes Normungssystem geschaffen wird".

Stein des Anstoßes war zuvor, dass mit der Reform auch Standards hoffähig werden, die als schwer vereinbar mit freier Software gelten. Anerkannt würden auch Spezifikationen, die unter sogenannten FRAND-Bedingungen (Fair, Reasonable And Non-Discriminatory) lizenziert werden, hatte zum Beispiel der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) kritisiert. Damit könnten selbst von "Patent-Kartellen" vorangetriebene Standards abgesegnet werden. Der FFII verlangt deswegen, dass die Abgeordneten die Verwendung tatsächlich freier und offener Standards festschreiben, bei denen auch potenziell enthaltene Patente unwiderruflich vergütungsfrei mit zur Verfügung gestellt werden müssten. Das Parlament hat den Mitgliedsstaaten nun den Weg geöffnet, in Eigenregie entsprechend strengere Vorgaben etwa auch für Datenformate im Bereich E-Government aufzustellen.

Die Arbeit der nationalen und europäischen Normungsorganisationen soll zudem auf eine breitere Ebene gestellt und transparenter werden. Diese müssen künftig online einen "leicht zu nutzenden Konsultationsmechanismus für alle einschlägigen Interessenträger zur Übermittlung von Kommentaren zu Normenentwürfen" zur Verfügung stellen sowie "virtuelle Sitzungen" organisieren. Insbesondere ist eine "geeignete Vertretung und Beteiligung" von Behörden, kleinen und mittleren Unternehmen, Verbraucherschützern und zivilgesellschaftlicher Vereinigungen sicherzustellen. Ferner müssen Kurzfassungen von Normen im Web kostenlos zur Verfügung gestellt werden. (mho)