Strafvorschriften zum Schutz geistigen Eigentums in der EU weiter umstritten

Bei der ersten Lesung eines geänderten Vorschlags für eine Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums im EU-Parlament haben die Fraktionen heftig über Ziel und Zweck der IPRED2 gestritten.

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Von
  • Monika Ermert

Die Diskussion über geplante Strafen für Urheberrechtsverstöße in der Europäischen Union ist noch nicht abgeschlossen. Bei der ersten Lesung eines geänderten Vorschlags für eine Richtlinie über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (IPRED2) im EU-Parlament in Straßburg haben die Fraktionen heftig über Ziel und Zweck der IPRED2 gestritten.

Berichterstatter Nicola Zingaretti wies darauf hin, dass es sich bei dem vorgelegten Text um eine Richtlinie gegen Schwerstkriminelle und nicht gegen private Nutzer handele. Das sieht etwa Toine Manders von den niederländischen Liberalen anders. Wenn jemand ein Markenprodukt für einen viel zu geringen Preis erwerbe, müsse ihm bewusst sein, dass es eine Fälschung sei. Auch Konsumenten müssten zur Verantwortung gezogen werden.

Befürworter und Kritiker sind sich aber angesichts des wirtschaftlichen Schadens grundsätzlich darüber einig, dass gegen gewerbsmäßige Piraterie etwas getan werden muss. Zingaretti sprach von 1600 Prozent Wachstum bei den Produktfälschungen und daraus resultierend 125.000 neuen Arbeitslosen in der EU.

Eine Kriminalisierung des Austauschs von Kultur, so wetterte der Vertreter der spanischen Grünen, David Hammerstein Mintz, sei mit dem Industrieausschuss nicht zu machen. Kriminelle und Bürger dürften nicht einfach auf die gleiche Stufe gestellt werden. Genau das aber drohe, würde der von der Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf nicht klar beschränkt. Für viele Parlamentarier ist es unabdingbar, das private Kopieren ohne Gewinnabsicht auszunehmen. So wird es nun auch in erster Lesung von Zingaretti als Kompromiss vorgeschlagen.

Ebenso sollen Patente explizit aus den Strafrechtsvorschriften herausgenommen werden. Die Kommission ist aber laut EU-Kommissar Günther Verheugen über die vom Parlament gemachten Einschränkungen bei der Definition des Geistigen Eigentums "nicht glücklich". Die Kommission trete für die Einbeziehung von Patenten ein. Der vom Parlament vorgeschlagene Erhalt von Spielräumen für die Mitgliedsstaaten könne darüber hinaus erneut zu Rechtsunsicherheit führen.

Eine möglichst klare Definition, wer sich womit strafbar macht, bezeichnete Rainer Wieland (CDU/EVP) für den Innenausschuss als notwendig. Daher begrüßte er die geplante Positivliste. "Wir sollten uns nicht immer nur darauf beschränken, an dem Mindeststrafrahmen herumzuschrauben. Wir müssen auch anfangen, am Bestimmtheitsgrundsatz zu arbeiten. Wir brauchen den Positivkatalog, damit der Bürger lesen kann, in welchen Bereichen er sich strafbar machen kann."

Dass die Kommission die strafrechtlichen Befugnisse, die ihr vom Europäischen Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Umweltstrafrecht zugestanden wurden, ausgerechnet bei den Pirateriefragen ausnutzen will, wurde von Abgeordneten der sozialistischen, der liberalen Fraktion und den Grünen teilweise scharf kritisiert. Sie denke nicht, dass die Kommission nicht befugt wäre, in diesem Fall strafrechtliche Maßnahmen vorzuschlagen, sagte Edith Mastenbroek. Der Einsatz im hart umkämpften Urheberrecht könne auf die Bürger aber so wirken, "als wären wir auf der Seite des Big Business", vermutet Mastenbroek. Mit dem Strafrecht dürfe man nicht herumspielen, warnte Ignasi Guardans Cambo von der liberalen Fraktion. Wenn zum Strafrecht gegriffen werde, müsse das weise und mit Sachverstand geschehen. Im Kommissionsvorschlag aber gebe es sehr wenige weise Passagen. Die Abstimmung über die konkurrierenden Vorschläge findet am morgigen Mittwoch statt.

Die Free Software Foundation Europe (FSFE) beschwor das Parlament, die Kriminalisierung von Endnutzern zu verhindern. Der Kommissionsvorschlag ziele unter anderem klar auf Nutzer, Distributoren, Entwickler und Hersteller von Software im allgemeinen, und auch der von freier Software, sagte FSFE-Chef Georg Greve in einer Mitteilung. Ohne eine Regelung zum Schutz vor Softwarepatentierung würde IPRED2 in der Kommissionsfassung zu einem unkalkulierbaren Risiko für die Informationsgesellschaft.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Monika Ermert) / (anw)