Das nächste große Ding

Das iPhone bricht Rekord um Rekord, aber irgendwann ist damit Schluss. Welche Revolution kommt dann aus Cupertino, was wird Apples nächster großer Hit?

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Von
  • Alexander von Below

Im Moment treffen die ersten Lieferungen des iPhone 5 ein und es bricht wieder einmal alle Verkaufsrekorde. Ob man es nun für einen großen Wurf oder langweilige Modellpflege hält: Es ist klar, dass Apple bereits an neuen, aufregenden Innovationen arbeitet – arbeiten muss, um den aktuellen Aufwärtstrend langfristig beizubehalten.

Einige glauben, das "Next Big Thing" wäre ein iTV, also ein Fernsehgerät und nicht nur eine Box wie das aktuelle Apple TV. So recht glauben mag ich das aber nicht und Eddy Cue, Apples Senior Vice President of Internet Software and Services, hat diese Gerüchte in einem Treffen mit Finanzanalysten kürzlich auch ziemlich klar dementiert. Im Detail will ich auf die Gründe gar nicht eingehen, aber alles, was Apple im Wohnzimmer erreichen will, können sie wunderbar mit dem aktuellen Apple TV machen. Der nächste Hit wartet hier also nicht.

Was also dann, ein Auto? Unwahrscheinlich. Zu weit weg von Apples Kernkomptenz und mit iPod-Zubehör hat sich das Unternehmen ja schon früher eine blutige Nase geholt.

Es müsste etwas sein, das alle haben wollen, das unser Leben verändert oder es zumindest einfacher macht. Ein Produkt, mit dem sich ein Massenmarkt erschließen lässt. Und es wäre vielleicht ganz hilfreich, wenn Apple dabei auf die bisherigen Erfahrungen zurückgreifen könnte.

Ich wage an dieser Stelle, ohne spezielle Informationen zu haben, eine Prognose: Apples "Next Big Thing" wird eine Kamera.

Die Kamera im iPhone ist sehr populär und es werden unglaublich viele Bilder damit gemacht. Das liegt natürlich auch daran, dass das Kamerasystem im iPhone 5 ein echtes Wunderwerk der Technik mit fünf Linsen ist, das Apple hier auf wenige Millimeter geschrumpft hat. Das ist beindruckend. Andererseits liegt es aber auch daran, dass die beste Kamera immer genau die ist, die man gerade dabei hat – ob sie nun perfekte Bilder zaubert oder nicht.

Seien wir einmal ehrlich: So ein bisschen mehr dürfte es eigentlich schon sein. Zugegeben, für so eine kleine Kamera ist eine Blende von 2,4 schon schön, aber sie ist vor allem eins: fest. Damit gibt es keinerlei Möglichkeit, die Tiefenschärfe einzustellen. Digitaler Zoom bleibt digitaler Zoom, bei dem immer Auflösung verloren geht. Auch "Low Light Mode" und Bildstabilisator sind letztlich nur Software-Funktionen, die Mängel ausgleichen sollen statt die Kamera wirklich besser zu machen. Die Physik kann man eben nicht bescheißen.

Um eine wirklich bessere Kamera zu bauen, muss Apple sich vom Formfaktor eines Mobiltelefons lösen. Fotografie bedeutet, wörtlich übersetzt, Zeichnen mit Licht. Und durch eine winzige Linse wie die des iPhone fällt eben nun einmal weniger Licht, was zu schlechteren Fotos führt – Hightech hin oder her.

Aber: In fast allen Geräten, die Apple herstellt, ist im Moment eine Kamera verbaut, unzweifelhaft hat Apple also eine Menge Erfahrung auf diesem Gebiet. Die Entwickler müssten eigentlich wissen, worauf es ankommt und wie man eine ordentliche Kamera baut. Nebenbei bemerkt: Die uralte QuickTake 100 möchte ich in diesem Zusammenhang lieber unter "Lehrgeld" verbuchen.

Eine Kamera würde sich perfekt in Apples Ökosystem einfügen. Mit WLAN- oder Mobilfunkverbindung ließe sie sich direkt an den Photostream in der iCloud anbinden. Software für die Nachbearbeitung bietet Apple mit iPhoto und Aperture bereits an. Mit letzterem hat Apple viele Informationen darüber gesammelt, was Anforderungen, Ausrüstung und Wünsche von (semi-)professionelle Fotografen betrifft.

Der Markt für Compact- und "Prosumer"-Kameras dürfte aktuell bei über 10 Milliarden US-Dollar liegen und außer dem "Immer-Dabei"-Faktor haben alle Mobiltelefonkameras dem sehr wenig entgegenzusetzen. Mag sein, dass die Smartphones den Markt der "Knipsen" kanibalisiert haben, aber im höherwertigen Segment gibt es sicher noch etwas zu holen.

Interessanterweise ging vor einigen Tagen auch die Meldung herum, dass Jonathan Ive für den Hersteller Leica eine Kamera entwerfen wird. Genau ein Exemplar, das für einen guten Zweck versteigert wird. Ist dies eine Fingerübung? Eine Freundlichkeit für einen zukünftigen Partner? Samsung und Nikon haben schon Kameras auf Android-Basis vorgestellt. Und gab es da nicht auch mal Annäherungsversuche zwischen Apple und Lytro, den Machern der Lichtfeldkamera? Die Indizien weisen für mich alle in die gleiche Richtung.

Hier hätte Apple noch einmal die Möglichkeit, ein bekanntes Produkt zu revolutionieren. Ich habe zwar keine Idee, wie das Ergebnis genau aussehen könnte. Aber ich bin sicher, dass Apple eine Kamera bauen kann, die wirklich besser, einfacher und schöner ist als die Produkte der Konkurrenz. Eine Kamera, die alle haben wollen. Zumindest ich. (mst)