Demokraten verzögern neues US-Lauschgesetz

Laut dem Mehrheitsführer im US-Senat, Harry Reid, bleibt vor der Weihnachtspause nicht mehr genug Zeit für eine sorgfältige Debatte der Novelle des Gesetzes zum Abhören internationaler Telekommunikation.

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Der US-Senat hat nach einer ganztätigen Plenardebatte am gestrigen Montag die Abstimmung über die heftig umkämpfte Novelle des Gesetzes zum Abhören internationaler Telekommunikation auf Mitte Januar verschoben. Der Mehrheitsführer der Kammer des US-Kongresses, der Demokrat Harry Reid, erklärte nach der Sitzung, die Reform des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) nicht überstürzt durch das Gesetzgebungsverfahren drücken zu wollen. "Die Demokraten stehen voll und ganz hinter dem Vorhaben, die Geheimdienstgesetze unserer Nation zu verbessern und gleichzeitig die Bürgerrechte der Amerikaner zu schützen", betonte der Senator aus Nevada. "Wir müssen uns die erforderliche Zeit nehmen, um ein Gesetz zu diskutieren, das genau diese Ziele erreicht."

Hauptstreitpunkt bei der FISA-Neufassung ist, ob und wie weit privaten Überwachungshelfern von Sicherheitsbehörden wie der National Security Agency (NSA) im Nachhinein und künftig Straffreiheit zugesichert werden soll. Derzeit vertreten Bürgerrechtsvereinigungen in etwa 40 anhängigen Gerichtsverfahren Kläger gegen große Telekommunikationsanbieter wegen Beteiligung am NSA-Lauschprogramm. Die betroffenen Telcos, der oberste US-Geheimdienstchef Mike McConnell sowie das Weiße Haus bestürmen den US-Kongress seit längerem, die "rückhaltlose Zusammenarbeit" zwischen den Hilfssheriffs und den Nachrichtendiensten nicht zu gefährden und den Lauschgehilfen Immunität zu gewähren. Trotzdem hat sich das US-Repräsentantenhaus im November gegen eine entsprechende Klausel ausgesprochen. US-Präsident George W. Bush hat aber wiederholt angekündigt, die Novelle ohne Absicherung der Schnüffeltätigkeiten privater Firmen mit seinem Veto blockieren zu wollen.

Als größter Gegner einer "Amnestieregelung" präsentierte sich im US-Senat gestern der Präsidentschaftskandidatenkandidat Christopher Dodd von den Demokraten. "Heute haben wir einen Sieg für die amerikanischen Freiheitsrechte erzielt und eine Botschaft an Präsident Bush geschickt, dass wir seinen Machtmissbrauch und seine Geheimniskrämerei nicht tolerieren werden", teilte er nach Bekanntgabe der Verschiebung der Schlussabstimmung im Senat mit. Weder Bush noch die Telcos, die seine Bestrebungen zur Beschnüffelung der US-Bürger mitgetragen haben, dürften jenseits des Rechts stehen.

Ein Sprecher des Weißen Hauses zeigte sich dagegen schwer enttäuscht. Es werde nun wenig Zeit bleiben, um die Novelle termingerecht zu verabschieden. Jeder Tag Verzögerung "bringt uns näher an ein gefährliches Loch bei der geheimdienstlichen Aufklärung, das wir im Sommer geschlossen haben". Der US-Kongress hatte Anfang August vor der parlamentarischen Unterbrechung noch rasch als Übergangslösung den sogenannten Protect America Act abgesegnet, der bis zum Februar gültig ist. Er erfordert keinen Richterbeschluss für Abhöraktionen außerhalb der USA, enthält aber auch keine Bestimmung zur Straffreiheit der Überwachungsgehilfen.

Für die FISA-Reform haben Senatoren noch eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht. So hat Dianne Feinstein von den Demokraten etwa vorschlagen, dass das FISA-Sondergericht fallbezogen darüber entscheiden können soll, ob den Hilfssheriffs Immunität eingeräumt wird oder nicht. Der Republikaner Arlen Specter will den Lauschgehilfen zudem laut einem älteren Vorschlag eine indirekte Straffreiheit einräumen: Statt gegen sie sollen sich Klagen aufgrund der Beschnüffelung demnach nur gegen die US-Regierung richten können. Eine einheitliche Linie bei den Demokraten hat sich noch nicht abgezeichnet. Viele einflussreiche Senatoren der Oppositionspartei zur US-Regierung haben sich hinter Dodd gestellt. Andere fürchten, von den Republikanern bei einer Eingrenzung der Abhörregeln mit Terroristen erneut in eine Ecke gestellt zu werden.

Erst am Sonntag war herausgekommen, dass die Verstrickungen zwischen der NSA und US-Telcos deutlich weiter gehen als zunächst bekannt. Demnach verlangt der technische Geheimdienst teils eine komplette Duplizierung des Telekommunikationsverkehrs an lokalen Netzwerkleitstellen. Für Kommentatoren aus dem linken Spektrum beleuchtet dies erneut, dass sich die USA in genau einen solchen rechtslosen Überwachungsstaat verwandelt haben, vor denen die US-Bürger immer als Kennzeichen "tyrannischer Gesellschaften" und Diktaturen gewarnt worden seien. (Stefan Krempl) / (jk)