Fernsehen soll mehr werben dürfen

Mit dem Verbot von Schleichwerbung, aber der Erlaubnis unbeschränkter Werbezeiten im Programm will Kulturstaatsminister Neumann die Konkurrenzfähigkeit von Fernsehsendern gegenüber fernsehähnlichen Abrufdiensten für Handys und Internet fördern.

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Von
  • Monika Ermert

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, hat die Abgeordneten des EU Parlaments aufgefordert, sich beim Novellieren der EU Fernsehrichtlinie für eine komplette Liberalisierung der Werbezeiten bei gleichzeitiger Ablehnung von Produktplatzierungen einzusetzen. "Wenn die derzeitigen starren Beschränkungen bei der Werbezeit auf 12 Minuten je Stunde und das grundsätzliche Verbot, Einzelwerbespots zu senden, nicht abgeschafft oder zumindest abgemildert werden, sehe ich unsere Rundfunkveranstalter im Wettbewerb mit den Abrufdiensten als erheblich benachteiligt an", schrieb Neumann an die Abgeordneten. Anders als viele Verbraucherschützer befürchtet er keine Überflutung mit Werbung, die Zuschauer würden "dies zu verhindern wissen".

Das Ziel der Novellierung (PDF) liegt in einer "Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste", in der unter dem Stichwort "nicht-lineare Dienste" auch fernsehähnliche Abrufdienste in Internet oder auf dem Handy erfasst werden. Allerdings sollen für solche Abrufdienste weniger strikte Regelungen gelten. Im Gegensatz zu Großbritannien, aber auch Interessengruppen wie dem Bundesverband der deutschen Industrie (PDF) sowie dem Bundesverband deutscher Zeitungsverleger sprach sich Neumann ausdrücklich dafür aus, nicht-lineare Dienste in der neuen Richtlinie zu berücksichtigen – Ruth Hieronymi (CDU), Berichterstatterin im federführenden Kulturauschuss des Parlaments, unterstützte den Vorstoß. Es sei Aufgabe der Richtlinie, frei empfangbares Fernsehen zu erhalten. Das habe durch Pay-TV und Internet starke Mitbewerber erhalten. Insofern bestehe "Handlungsdruck, die finanziellen Grundlage für das frei empfangbare Fernsehen zu sichern", kommentierte Hieronimy. Eine weitere Aufgabe sei aber, die Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung zu erhalten. Wolle man kein Produkt Placement, von Sendern ebenfalls als Finanzquelle angezapft, müsse man vielleicht bei den Werberegeln nachgeben. Eine vollkommene Liberalisierung, wie sie Neumann fordert, werde aber auf keinen Fall eine Mehrheit finden.

Hinsichtlich anderer Einnahmequellen für Fernsehsender hat sich derweil Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) zu Wort gemeldet. In einem Presseinterview warnte er vor einem "Verlust des zeitgemäßen Realitätsbezugs" in der deutschen Medienpolitik, wenn angesichts fortschreitender Konvergenz von Rundfunk, Internet und Handy-Kanälen weiterhin eine PC-Gebühr als Bemessungsgrundlage für Rundfunkbeiträge gutiert werde. Sollte diese Gebühr tatsächlich eingeführt werden, drohe als nächster Schritt womöglich eine Handygebühr. Als Inkasso-Instanzen solle man an Stelle der GEZ vielmehr über Finanzämter oder über Kabelgesellschaften nachdenken. (Monika Ermert) (hps)