Wann braucht Ökostrom keine Subventionen mehr?

Selbst erzeugter Ökostrom ist mittlerweile billiger als Strom aus der Steckdose. Brauchen die erneuerbaren Energien bald keine Unterstützung mehr?

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Von
  • Jens Lubbadeh

Subventionsfreien Ökostrom gibt es schon: Das rheinland-pfälzische Schornsheim und fünf andere Orte rund um Alzey beziehen ihre Energie komplett aus erneuerbaren Quellen, unter anderem von den Windrädern direkt vor ihrer Haustür. Und das auch noch zu einem moderaten Preis von 21 Cent pro Kilowattstunde (kWh) – günstiger als der Atom- und Kohlemix des örtlichen Grundversorgers. Würde das Schornsheimer Modell überall funktionieren, könnte sich rechnerisch jeder Bürger jährlich rund 170 Euro für das Hochpäppeln von Windrädern und Solaranlagen sparen. Diese Summe ergibt sich, wenn man die 2012 voraussichtlich anfallenden 14 Milliarden Euro Umlage für die Erneuerbaren auf alle 82 Millionen Deutsche umrechne, berichtet Technology Review in seiner Oktober-Ausgabe (seit Donnerstag am Kiosk oder online zu bestellen).

Auch die Photovoltaik kann den Preis für Haushaltsstrom mittlerweile locker unterbieten. Die Erzeugung von Solarstrom kostet laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg derzeit etwa 18 Cent pro kWh – erheblich weniger als die 25 Cent, die Energieversorger im Schnitt für ihren Strom in Rechnung stellen. Damit erreicht Sonnenenergie die vielbeschworene „Grid Parity“ (Netzparität). Haben die Erneuerbaren nun also endlich den Durchbruch geschafft? Bei Weitem nicht. Wer genau hinschaut, entdeckt: In Wahrheit werden sie noch auf Jahrzehnte hinaus teurer sein als derzeitige konventionelle Kraftwerke.

Das zeigt ausgerechnet das Schornsheimer Vorzeigemodell: Lediglich 30 Prozent des Stroms stammen tatsächlich aus regionalen Windparks, der Rest kommt aus deutschen Wasserkraftwerken. Auch die von der Solarbranche bejubelte Netzparität ist vor allem von psychologischer Bedeutung. In Wahrheit unterbietet die Photovoltaik nämlich nur scheinbar den Preis des konventionellen Stroms. Dieser besteht zu zwei Dritteln aus Steuern und Netzentgelten, die sich Solaranlagenbetreiber sparen, wenn sie ihren Strom vom Dach selbst verbrauchen.

Um den Druck auf die Erneuerbaren zu erhöhen, haben sich Bund und Länder auf eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) geeinigt. Neben der dabei üblichen Senkung der Einspeisevergütung tauchten noch zwei bemerkenswerte Neuerungen auf. Erstens: Die Betreiber von Photovoltaik-Anlagen sollen mit Zuckerbrot und Peitsche dazu gebracht werden, ihren Strom selbst zu vermarkten. Zweitens: Schwarz-Gelb hat der Photovoltaik-Förderung erstmals ein konkretes Verfallsdatum verpasst - sie soll auslaufen, sobald 52 Gigawatt installiert sind. Derzeit sind es rund 27 Gigawatt. Nach Expertenmeinung wird das Ausbauziel deutlich vor 2020 erreicht. Spätestens dann muss sich der Sonnenstrom also selbst tragen.

Wenn die Preise für fossile Energieträger sowie für CO2-Verschmutzungsrechte steigen werden, könnten laut Experten Windräder an einem durchschnittlichen Landstandort konkurrenzfähig sein. Ab 2022 werden ihrer Prognose nach große Photovoltaik-Freiflächenanlagen in Süddeutschland günstigeren Strom erzeugen als der konventionelle Kraftwerksmix. Das wäre genau zu dem Zeitpunkt, an dem in Deutschland die letzten Atommeiler abgeschaltet werden.

Mehr dazu im aktuellen Technology Review-Heft:

(jlu)